05.12.07

Ueli und Capricia

Ueli und Capricia sind das verdrehteste Pärchen, das ich kenne.
Dazu muss man sagen, dass sich beide hier etwas fremd fühlen. Ueli hat Sorgen mit dem Arbeitsamt (Leistungen bezogen und neben her gearbeitet wie blöd) und seiner letzten Freundin (vergessen ihr das Auto zurück zu geben, für das sie ihm das Geld geliehen hatte). Capricia hat Sorgen mit der Wirklichkeit. Die Überweisungen von Papa halten sie zwar ganz gut in Schach, aber trotzdem. Irgendwas stimmt da nicht, denkt sie manchmal, nun wo sie immer noch tagelang auf der Kinderschaukel den Wolken zuguckt und es schon einige Zeit her ist, dass sie ihren Dreissigsten gefeiert hat. Ueli geht es oft nicht so gut, weil er nicht weiss, wie er neben all den Dingen, die er für andere Menschen tut auch noch der Welt helfen kann und eine Nähe zu Gott findet er auch nicht so leicht. Capricia glaubt, dass alles eintrifft, was man sich ganz stark wünscht.
Ueli wünscht sich eine spirituelle Frau die ihn begleitet, wenn er den Dalai Lama im Stadion anschauen fährt. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass er früher an Ostern immer die Rede vom Pabst im Fernseher anschauen musste und nicht richtig verstanden was der Mann mit dem spitzen Hut da erzählte, aber rausgehen und spielen war an diesem Tag sowieso verboten. Capricia wünscht sich einen geschmeidigen Mann, der sich auskennt mit der Welt. Dummerweise schläft Capricia deshalb mit beinahe jedem Mann, den sie auf ihren Entdeckungsreisen durch die Berner Nachmittage kennen lernt. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass ihre Mutter ihr damals erklärte, dass die Männer nur das Eine wollen. Dazu muss man sagen, dass Ueli und Capricia ordentliche Erwachsene sind, welche die Erwartungen ihrer Eltern nur sehr ungern enttäuschen.
Irgendwann haben sich die beiden dann ganz ihren Wünschen gemäss an einem Meditationskurs kennen gelernt. Zuerst war das eine feine Sache. Ueli spürte, dass er in Capricia eine unheimlich reine Seele gefunden hatte, die ihm viel Trost gab und Verständnis für seine Sorgen aufbrachte. Zudem war sie nicht so berechnend wie all die anderen, auf die er bisher herein gefallen war. Capricia fühlte sich plötzlich so sicher im Leben, nachdem Ueli ihr gezeigt hatte, wo Gott sitzt.
Leider hat sich da in letzter Zeit einiges geändert. Denn nun, wo Ueli erfahren hat, dass die Schlampe ihn ständig betrügt, fühlt er sich ziemlich verarscht, nach allem was er ihr gegeben und gezeigt hat. Capricia hingegen fragt sich nur, weshalb sie bei ihm nie einen Orgasmus hatte, wo sie ihn doch so tief liebte. Beide denken darüber nach, ob sie dem anderen nicht nochmals eine Chance geben sollten.

27.11.07

Roman und Myrrzha

Roman und Myrrzha sind das hübscheste, junge Pärchen das ich kenne. Sie sehen aus und kleiden sich wie Elfen, die einen Mad Max Krieg überlebt haben. Es ist schön, sie zu besuchen und ihnen zuzuschauen, wie sie langgliedrig und fein mit den Lichtstrahlen des Tages spielen. Sie verstehen sich wie niemand sonst darauf, mit mir in vollständig sorgloser Offenheit über all unsere Intimitäten und Wünsche zu sprechen. Ihre Tochter Helena ist eine hüpfende Sonnenblume, die sich abends vor dem Einschlafen überlegt, ob alle Nachbarskinder im Verlauf des Tages auch sicher einen Kuchen geschenkt bekommen haben. Helena ist dieses rotbäckige Goldlöckchen, von dem Eltern mit Verstand träumen.
Doch wenn Roman und Myrrzha unter sich sind, streiten sie ständig. Das bedeutet nicht nur keifendes Geschrei, sondern auch Mobiliar, das aus dem Fenster ihres Häuschens fliegt. Dieses Häuschen, das in einem Apfelgarten auf dem Land steht und total verdreckt ist. Es lässt sich nur über eine Düne aus Sand, Kinderspielzeug und einzelnen, herumliegenden Schuhen betreten. Der Vermieter droht immer wieder mit fristloser Kündigung. Besonders letztens als Roman den Lindenbaum im Garten umsägte, um daraus ein Geisterkanu für Helena zu schnitzen. Lindenholz eignet sich hervorragend zum Schnitzen, erwiderte Roman verständnislos. Im Flur haust Ruka, ein abgeschlagener Hund, der ihnen auf einer der frühen Traumreisen in den Süden zugelaufen ist. Ruka fletscht bei jedem Besucher die Zähne wie ein Höllenhund. Es ist eigentlich nur Zufall, dass noch niemand gebissen wurde. Auch wenn sie mich sieht, stellt sie sich mit gesträubten Nackenhaaren in den Eingang, obwohl sie mich seit Jahren kennt. Zum Glück ist sie aber meistens am streunen. Gekocht werden in diesem Haus prinzipiell nur Nudeln oder Reis mit Fertigsauce. Denn entweder ist Myrrhza zu müde und verzagt oder Roman kommt zu spät vor der Arbeit nach Hause, um einkaufen zu gehen. Sie hätten gern mehr Sex miteinander, aber weil das mit dem Berühren für Elfen immer etwas schwierig ist, lassen sie es bleiben. Meistens sind sie unsterblich in jemanden aus der Nachbarschaft verliebt. Ganz selten küssen sie. Mehr auf keinen Fall. Beide wissen von diesen Küssen und sie wären das Letzte, worüber sie sich ereifern würden.
Vor einem Jahr sind sie zu ihrem grossen Erstaunen von ihrem eigenen hechelnden Stöhnen erwacht und Roman ist auch gekommen. Letztens geschah das wieder. Nun ist Myrrzha schwanger. Ja so sind sie, die ungeborenen Seelen, sie suchen sich den Ort wo die Gischt der Wellen hoch schäumt. Weil manchen gelingt es nur dort, die Erde zu betreten.

24.11.07

Übrigens:

Zum Glück noch ein kleiner Nachtrag.
Es kann sein, dass Sie überhaupt nicht verstehen, wovon hier überhaupt die Rede ist. Dann gehen Sie am besten wie viele andere vor Ihnen auch an die Börse. Das hat zwar nichts mit Glück zu tun, ist aber immer noch besser als gar nichts zu haben. Selbstverständlich können Sie Ihre allgemeinen und persönlichen Verbesserungsvorschläge auch direkt dem Dow-Jones-Index schreiben. Natürlich haben Sie Recht, wenn Sie einwenden, dass man den Dow Jones ja mit anderen teilen muss und dass das mit dem geteilten Glück so eine Sache ist. Aber glauben Sie mir, Sie werden seine Anteilnahme an Ihrem persönlichen Schicksal in jedem Fall spüren.

Ihre Glücksfee Dr. Jonka

21.11.07

Die 4 Formen von Glück

Es gibt exakt 4 Formen von Glück:

1. Das Glück,
das ist wie wenn man an einem Tag Ende Oktober über die schneefreie, aber eiskalte Alp Astras in Richtung Ofenpass geht und auf der ganzen, endgültigen Weite keine Menschenseele antrifft.

2. Das Glück,
das ist wie das Finden des letzten Heftes der dreiteiligen italienischen Rex-Ausgabe von Daniel Zezelj in einem Berg von abgegriffenen Comics auf der Flohmarktwiese des Plainpalais im fünften Jahr der Suche.

3. Das Glück,
das ist wie ................................................ (hier bietet sich Raum für Ihre höchstpersönliche Form von Glück).

4. Das Glück,
das ist wie eine Glühbirne, deren Fassung sich so hoch oben befindet, dass einem jemand behilflich sein muss um sie einzuschrauben. Meist dauert es Jahre bis man wieder mal jemandem begegnet, der sich dafür eignet. Zudem halten diese Glühbirnen meist nur sehr kurze Zeit. Dies bedeutet, dass man die meiste Zeit seines Lebens im Dunkeln verbringt. Auch wenn man sich da was ganz anders vorgenommen hat. Um sich davon abzulenken kann man natürlich wandern gehen oder etwas sammeln. Dies ändert jedoch nichts daran, dass man nach all den Jahren zusammengefasst nur einige wenige Tage glücklich war.

19.11.07

Spuren und Endlosschlaufen

Zum ersten Mal Langlaufski gefahren. Auch so ein Tabu meiner Jugend, das ich mir damals geschworen habe nie zu brechen. Auch dann nicht, wenn ich definitiv alt bin. (Weil ich nie das tun wollte, was gelangweilte, körperbewusste alte Leute tun, nur weil sie alles andere nicht mehr packen.) (Es hat etwas Beängstigendes, wenn man sich beginnt mit dem zufrieden zu geben, was möglich ist.)
Gut, ich entdecke nun den Reiz der Reduktion.
Denn Langlaufen ist eher wie Fliegen. Tranceartig. Zeitlupen-Loipen-Laufen. Dahin gleiten mit extrem langen Schritten. Wie Davonrennen im Traum. Ein ständiges Anlaufnehmen zum Abheben. Man schwebt in dieser schmalen Schneespur durch eine Traumwelt dahin.
(Es hat etwas genau so hypnotisch Beruhigendes wie damals, als ich noch ein Kind war und mit meinen Geschwistern stundenlang dem steten Kreisen der flitzenden Rennautos auf der Modellautorennbahn zuschauen konnte.)

16.11.07

Die klare Linie

Franziska und Max sind eines der süssesten Pärchen, das ich kenne.
In letzter Zeit findet Franziska, dass Max zuviel Fussball am Fernsehen guckt und zuviel Bier trinkt. Da sie sich zudem in ihren sexuellen Bedürfnissen nicht wahrgenommen fühlt, drängt sie auf Veränderung. Sie fragen gute Freunde um Rat, denen es vor kurzem ganz ähnlich ging und finden den Weg zur Paartherapie. Die Paartherapeutin fühlt etliche Sitzungen später genau wo das Problem liegt und macht folgenden Vorschlag: Franziska soll Max jeden dritten Sonntag zum Fussball ins Stadion begleiten. Max soll mit Franziska einmal im halben Jahr zu einem Tantra-Seminar in den Bergen fahren. Das mengenmässig ungleiche Verhältnis spielt hier nicht so eine grosse Rolle wie die aktive Toleranz, welche beide dadurch entwickeln werden. Punkt. Max findet die kosmische Welle, die beim Tantra durch seine Chakren wütet tödlich. Franziska findet die Ole-Welle im Stadion, die ihr die Arme hochreisst tödlich.
Da entdeckt Franziska etwas. Nun ist schon der dritte Abend in dieser Woche, an dem Franziska nicht zuhause ist. Max legt die Fernbedienung beiseite. Er geht auf den Balkon. Draussen regnet es. Da er keinen Hund hat, zieht er den Regenmantel an und geht mit sich selber raus. Mit etwas Glück wird er Franziska wieder begegnen. Sie lachen.
Die Paartherapeutin treffen sie glücklicherweise erst sehr viel später bei einem Besuch in der Hölle wieder an.

13.11.07

Corvatsch, Herbst 2007


„Du schmeckst gut!“ sagte der Schmetterling zu mir, nachdem er sich nun schon zum zigten Mal auf meinem verschwitzten Unterarm niedergelassen hatte, um von mir zu trinken. Dieser kleine Charmeur, dachte ich bei mir, eine solche Schönheit und dann steckt er seinen Rüssel in die stinkenden Pfützen auf der Haut von ausgepumpten, den Berg hoch stolpernden Touristinnen wie mir. „Nicht nur das, meine Liebe, im Sommer hätten wir uns auch unten im Tal hinter den Schweinemästereien in der Abluft der Klimaanlage treffen können oder in dieser Felsenrinne dort oben in der lange Zeit ein Kadaver vor sich hin gammelte.“ Dabei zeigte er mit einem seiner unglaublich zarten Flügel hoch in Richtung des von der goldenen Engadiner Herbstsonne beschienen Berghanges.

„Ich verstehe das nicht mein Bester,“ antwortete ich ihm. „Die Pracht deiner Erscheinung, die Farben, die Zartheit. Weshalb kannst du dich nicht um all die wunderschönen, wohlriechenden Blüten kümmern, die dir ihre duftenden Hälse entgegenstrecken? Was begeistert dich so an diesem vergifteten Gebräu, das mir aus den Poren schiesst?“ „Nun weshalb bist du so kleinlich Madame Jonka. Schau ich behalte meine Zartheit auch wenn ich im Duft der Kadaver geschlafen habe. Die Farben meiner Flügel verlieren ihre Leuchtkraft nicht, wenn ich an dieser Mischung aus Sonnenschutzcreme, Schweiss und Bier auf deiner Haut lecke. Gift ist etwas anderes.“

„Ja aber ein bisschen versaut bist du schon mein Guter.“ wandte ich ein.
„Kennst Du denn so viele versaute Männer, Werteste, dass dir deshalb unsere Begegnung gleichgültig sein könnte?“
„Nein eigentlich nicht,“ antwortete ich zögerlich. „Die meisten wären es wohl gern oder ersparen sich die ganze Mühe und begeben sich auf die Suche nach versauten Frauen. Doch wenn sie auf eine treffen verlieren sie ihre Zartheit und die Farben gehen meist in der Suche nach einem Alltag unter. Zu selten ist das, du hast schon Recht.“
Der Schmetterling zwinkerte mir wie einer Gleichgesinnten zu und flog hüpfend und unvorhersehbar neben mir auf und ab.

Einige hundert Meter weiter oben am Hang hatte ich genügend nachgedacht, um ihn mit einem weiteren meiner Zweifel zu konfrontieren.
„Vielleicht hast du ja Recht und die Zartheit ist eine ganz eigene, verwirrende Schweinerei. Aber masslos bist du allemal, so wie du dich an mir labst.“
Der Schmetterling lehnte sich entspannt zurück und fragte:
„Wie viele Vorspeisen bestellst du, wenn du essen gehst, Minka?“
„Bitte? Wieso fragst du mich das jetzt? Und überhaupt, die Frage ist doch welche und nicht wie viele?“
„No Madame Jonka. Ich würde immer mindestens so viele Vorspeisen für mich bestellen, bis die Bedienung nervös zu lächeln beginnt. Das ist der Unterschied zwischen dir und mir.“

Ich schmunzelte und ging langsam weiter über den noch warmen Hang, während ich die Lerchenwälder weit unter mir betrachtete. Endlos. Der Schmetterling liess sich auf einen Stein vor mir nieder und wandte sich mir noch einmal zu. Doch es lag schon etwas wie Abschied in seiner letzten Frage:
„Nun könntest du mich natürlich noch was Bedeutsames zu deinem Leben fragen, weil schliesslich die Begegnung mit einem sprechenden Schmetterling ja so was wie ein Wunder ist, nicht wahr. Oder möchtest du dir etwas wünschen, für die Zukunft?“
„Ach, mein teurer Freund, was soll ich dich fragen, was soll ich mir von dir wünschen. Du wirst hier oben in deiner Mächtigkeit bleiben und ich werde mit der Seilbahn runterfahren ins Tal. Dorthin wo niemand masslos ist und versaut schon gar nicht, oder dann gleich so fertig, dass es keine Freude mehr bereitet. Das Eldorado der Mittelmässigkeit wird mich von neuem umfangen und wird versuchen an mir zu lecken. Was bleibt ist die Erinnerung an die paar Stunden hier oben mit dir.“

Da flog der Schmetterling davon und als ich ihn schon kaum mehr sehen konnte, drehte er sich ein letztes Mal zu mir um und rief: „Du wirst dich an mich erinnern und auch an die letzten Zeilen, die mein alter Freund Hunter S. Thompson mir schrieb, als er die Farben dieser Welt für immer verliess:

„Ganz oben auf der Spitze des Berges sind wir alle Schneeleoparden.“

05.11.07

Ich beginne mich an die Schulter der Geschichten zu lehnen.

Der Eigensinn der Zeiten lässt unsere Erinnerungen wie eine Traubenbeere im Munde zergehen. Runde, reife Beere mit bitteren Kernen. Die Kerne spuckt er zuweilen aus.

29.10.07

.

Ich laufe beim Abschied immer rückwärts in Stangen hinein.

25.10.07

Es ist Morgen Teil 4

Meine Nachbarin bedankt sich fürs Pflanzengiessen mit einer Karte aus Kroatien, darauf sind Steingebilde zu sehen, Felsen und Felsbrocken. Sie schreibt: Wenn einem da nicht Hintergedanken kommen...! Ich komme nicht dahinter, welche Hintergedanken sie meint. Es hat bestimmt etwas mit Sex zu tun, so verbogen wie sie es formuliert.
Ich schaue die Karte genauer an und tatsächlich: Steine, die wie Schwänze aus dem Boden ragen. Da liegen riesige Monster unter der Erde, denke ich, und frage mich, ob ihr Hintergedanke auch die Ungeheuer ausdenkt, die solche Schwänze aus der Erde strecken.
Monster mit dieser brutal schnellen um sich schlagenden Kraft wie in Computerspielen, mit Schwänzen, die in der Landschaft gewöhnlichen Steinbrocken täuschend ähnlich sehen, aber auf höheren Levels dann für diese verblüffenden Überraschungsmomente sorgen.
Computerspielhelden sind eine sowieso ungeheuer wunderbare Phantasie am frühen Morgen.

19.10.07

Mein Businessplan

Ich brauche ein Marketingkonzept, ein Firmenlogo, eine Webseite und einen Businessplan. Das Wort Businessplan existierte bisher nicht in meinem Leben. Kommunikation ist auch so ein Wort, das ich völlig unterschätzt hatte. Das habe ich alles in einem Buch gelesen. Meine Zukunft ist übersichtlich in Kapiteln eingeteilt. Mein Businessplan. Hätte ich in jungen Jahren etwas Anständiges studiert, wüsste ich jetzt bestimmt Bescheid über Businesspläne und Marketingstrategien. Stattdessen kann ich mit zwei Fingern pfeifen, einen Esel basten, einem frischen Lamm den Geburtsschleim aus der Nase ziehen, ein Zielfernrohr justieren, aber auch nützliche Dinge wie mich selber aus Moorlöchern retten oder geizigen Bauern derart Schlimmes an den Hals wünschen, dass sie für den Rest Ihres erbärmlichen Lebens bei jedem Hagel- und Blitzschlag an mich denken.
Und nun denke ich selber an mich.

18.10.07

Wege im Herbst


Panoramawege. Gedankenversunken. Stufen aus Granit. Vorsicht, Schritt für Schritt. Aussicht. Die abgeweideten Berghänge scheinen im Herbstlicht wie abgeschabt. Verkratzt von den Trittspuren der Tiere. Wie mein Inneres. Herbstallerinnerstes.

Erinnerungen. Ruhe. Stille Melancholie. Beruhigung.


Pfade dem Bach entlang. Das Wasser in den frühen Morgenstunden bleiern. Dunkel. Undurchsichtig wie Stanniol.

Höhenwege. Gedankenlos. Schritt um Schritt. Luft. Lust. Wandlerisch. Im Höhenrausch.

Maroniwälder. Wegloses Herumstöbern im Laub. Kullernde Maronis auf Schritt und Tritt. Schlendere nachdenklich im bunten Wald, die Hände in den Hosentaschen, die gesammelten Waldmurmeln zwischen den Fingern klickend.

09.10.07

Viel

Irritierend ist, dass ich auf einmal Kontinuität vermisse. Es passiert zu viel und ich brauche meine Ruhe. Denkpausen. Sehne mich nach meinem fehlenden täglichen Trott, sorglos vor mich hintrotteln bis es Abend ist, ein bisschen Geld verdienen, ein Mittagsschläfchen halten, das würde mir jetzt gut behagen.

Überlege mir ein paar Tage ins Bergell zu fahren, Spaziergänge, Notizheft, Steinpilze, wilde Feigenbäume, Marroniwälder, Schafskäse, Buchweizenteigwaren, oh ja.

18.09.07

Besser als Sex

mir Musik vorspielen und mit mir trinken

15.09.07

Wahrnehmungen

Bouschteu (Baustelle) von 'Bern ist überall' und Mondoskop vom 'Atelier für Zufallsforschung', beides im Schlachthaus Bern sind meine dringenden Empfehlungen an all meine Berner LeserInnen.

14.09.07

Verständigung

Eine Unterhaltung mit meiner Thailändischen Nachbarin ist etwas vom spannendsten überhaupt. Ein permanentes Verhandeln um die Bedeutung der Worte. Ein Ja ist nur manchmal ein Ja, meistens ist es ein Nein oder ein Vielleicht. Darum geht es bei unseren Gesprächen nicht so sehr um die Bedeutung der Worte, sondern darum eine gemeinsame Lösung zu schaffen.

Ist der Brief zu dick?

Es kann nie zu dick sein, sagte die Briefpostschalterbeamtin und lächelte verschmitzt, als hätte sie etwas Zweideutiges gesagt.

13.09.07

Rapport

Meiner Mitbewohnerin - doch, das passt prima, du siehst gut aus! gesagt, als sie ging, unternehmungslustig geduscht, Fingernägel geputzt, Haare gefönt, ein passendes T-Shirt gefunden, guten Mutes ein, zwei, drei Telefone gemacht, (in der Schweiz macht man Telefone, wenn man telefoniert), keine Begleitung gefunden, egal, früher war ich auch immer alleine unterwegs, sehr guten Mutes etwas Kleines gegessen, was noch da war, gebratene Tomaten mit Speck und Spiegelei, darüber Basilikum und Schafskäse, dazu Brot, in der Zeitung nachgeschaut, wann das Theater beginnt, in der Küche herumgetrödelt, abgewaschen, gedankenversunken in der Zeitung geblättert, in der Wohnung herumgelungert bis auch der Mut ungut wurde, den Wäscheberg gebügelt, dazu Noir Désir gehört, beschlossen frisch geduscht mit einem Buch ins Bett zu gehen, meiner Mitbewohnerin - hallo! gerufen, als sie nach Hause kam. Es wieder nicht geschafft auszugehen.
Morgen schaffe ich es.

12.09.07

Hoi

Er stand an der Etikettiermaschine in der Migros, legte das Gemüse auf die Waagschale und suchte die Nummer mit dem Finger. Er grüsste mich und ich kam nicht dahinter, wer er war. Er trug eine Sonnenbrille. Ich war praktisch schon an ihm vorbei als es mir dämmerte: Er! Ich konnte nur noch knapp hoi sagen, was auf einmal sehr japanisch klang.
Fiona sah mich an und sagte: Lass uns zu den Eisregalen gehen, damit du abkühlen kannst.
Dort öffnete ich das Fach mit dem gefrorenen Spinat und steckte meinen Kopf hinein, dann wechselte ich zu den Käseküchlein um nicht aufzufallen. Fiona lächelte und fächelte mir mit den Eisfachtüren kalte Luft zu. Ich glühte und verstand nicht warum. Ich hätte so gerne ein wenig mit ihm geredet, irgendetwas gesagt eben, aber stattdessen lief ich weg.
Früher errötete ich nie.
Früher erkannte ich die Leute auf Anhieb.
Früher sagte ich nie hoi,
Ich sollte wieder öfter unter die Leute gehen, vermutlich.

04.09.07

Heimweg

Ich fahre durch die ganze Stadt von der Arbeit nach Hause. Im Marzili lese ich einen Gedanken auf, und wir radeln zusammen den Berg hoch Richtung Ostring. Meistens ist es eine Phantasie, die mein Radeln antreibt. Am Burgernziel beim Solarium ist die Ampel immer rot. Meine Träumerei fährt bei Rot weiter und hängt mich ab. Ich warte und mein Blick fällt automatisch auf die Reklame mit den goldhäutigen Blondinen. Sie präsentieren ihre gebräunten, blanken Bikinizonen, was mich irritiert. Ich staune und komme nicht dahinter warum. Vermutlich, weil das Artifizielle mir zu fremd ist. Wenn es grün wird, fahre ich traumlos weiter. Die Geschichten bleiben dadurch an den unterschiedlichsten Stellen unvollendet.
Heute zum Beispiel bin ich nicht sehr weit gekommen. Ich habe anfangs zu lange herumgeturtelt. Gerade als er mich dann endlich küsste, kam ich an der roten Ampel an. Gestern war ich mit zwei blauäugigen Burschen in einer Badewanne, mit solchen Geschichten komme ich am besten vorwärts. Und Vorgestern wusste ich an der vermaledeiten Ampel immer noch nicht, ob ich das schwarze oder blaue Kleid anziehen soll für das erste Rendez-vous.

02.09.07

Die Eicheln fallen viel zu früh, dieses Jahr.

Wenn die Eicheln früh fallen, wird es ein schneereicher Winter geben, sagte mir einmal ein alter Schäfer. Nun wusste ich aus Erfahrung, dass man alten Schäfern besser nicht alles glaubt. Dennoch sind mir seither jedes Jahr seine Worte eingefallen, wenn die Eicheln fielen.

01.09.07

klar

Ich habe als Kind nie begriffen, wie das mit den Bienen genau funktioniert. Ich wusste, dass man das Beispiel mit den Bienen machte, um den Kindern zu erklären, wie Babys entstehen. Aber ich wurde anders aufgeklärt. So wie alle, die behaupten, sie wären nicht aufgeklärt worden. Ich fragte und bekam Antworten. Ich begriff nichts. Ich fragte weiter, immer mit dem leisen Verdacht, dass mir das Wesentliche vorenthalten wird. Ich suchte nach Antworten ohne die Fragen zu kennen. Ich schaute mir die Bilder in Aufklärungsbüchern an. Sehr beliebt war auch das dicke Buch über Krankheiten. Am meisten beeindruckte mich der seitlich von oben bis unten durchgeschnittene Mann ganz hinten im Buch. Ich studierte die Zeichnung immer und immer wieder, ohne irgendeine Antwort darin zu sehen. Daneben war eine Frau. Sie war nicht halbiert. Aber man konnte sie aufklappen und dann sah man das innere der Frau. Man konnte sogar das Bauchinnere aufklappen und dahinter war ein Baby versteckt. Das war das Schönste überhaupt. Was ich eigentlich sagen wollte ist:
Ich habe die letzten Wochen zwei Bücher über die Vermehrung der Pflanzen gelesen und weiss nun endlich, wie das mit den Bienen funktioniert.

20.08.07

Ver-bergen


Allein sein. Mich im Nebel verbergen.
Die Veränderung, die mich vernebelt, freut und verwirrt. Ich beschaue sie, nehme sie ernst und lache.

Langes Schweigen. Es gibt zwei Arten von Stille. Die eine macht Angst, zermalmt. In der anderen kann man sich auflösen.

(noch bis Ende Monat)

03.08.07

Pause


von Ozuma Kaname. Bilder einer Passion.



01.08.07

Hass ist übertrieben

Als ich vor der geschlossenen Bäckerei stand, realisierte ich, dass heute ja der erste August ist. Ein Feiertag, der mir schon immer Unbehagen bereitete. Eigentlich macht es nur Sinn, den Nationalfeiertag mit anderen Schweizern zusammen zu feiern und genau das jagt mir immer Angst und Schrecken ein. Hätte ich mir doch einen Fluchtplan ausgedacht. Die Feuerwerke und Knallkörper an allen Ecken nerven nur, wenn man nichts damit zu tun haben will.
Fluchtplan 1: Ich fahre mit dem nächsten Zug nach Finnland. Da wollte ich schon lange mal hin.
Fluchtplan 2 geht nicht, weil vermutlich die Kinos auch alle zu haben heute.
Fluchtplan 3: Ich mache auch zu und schaue die drei Pornos, die ich für harte Zeiten bereits gesammelt habe.
Fluchtplan 4: Ich gehe raus und schaue in den Himmel.
Vermutlich wäre das Betrachten der Feuerwerke die beste Flucht. Ich würde vor Staunen wie eine Rakete in den Himmel fliegen. Dort oben würde sich vielleicht mein Überdruss wie eine gigantische Sternenblume über dem Geschehen auflösen.

30.07.07

Fatale Ungeduld

Beim kleinsten Anflug von Besserung fordere ich meine Konstitution heraus, als wäre die Rekonvaleszenz ein Kampf. Ich schlage zu, boxe, trete wild um mich ohne mich an Regeln zu halten. Sieg, rufe ich, hurra ich bin gesund! Und noch während ich die Arme jubelnd in die Höhe strecke, völlig Blind vor Selbstsicherheit, kommt mit voller Wucht der Gegenschlag. Es haut mich um direkt ins Bett zurück. Reflexartig ziehe ich die Decke über die Ohren, verkrieche mich wieder und komme langsam zur Räson.

26.07.07

Warten und Tee trinken

Wenn ich gesund bin kaufe ich ein schnurgebundenes Telefon, mit einer Schnur bis an mein Bett. Und einen Staubsauger, der seinem Namen alle Ehre macht. Ich kaufe eine Schublade voll DVDs für harte Zeiten. Wenn ich gesund bin gehe ich jeden Tag in die Aare schwimmen und kreische vor Freude, wenn ich ins kalte Wasser springe. Ich gehe jeden Abend aus und verbringe die milden Sommernächte nur noch tanzend und lachend und küssend. Ich gehe nie mehr ins Bett. Ich habe das Liegen so satt.
Ausser zum Telefonieren vielleicht.

25.07.07

Geniestreiche

Zaubermeister, die Wortbrocken in Reagenzgläsern über die Bunsenbrenner halten bis sie überschäumen und explodieren.

...

Das machen übrigens Schafe auch. Sie transzendieren leicht. Sie sind von Natur aus mit Leichtgeistigkeit gesegnet und müssen sich nicht erst erkälten wie ich, um das Gehirn abzuschalten. Bei strömendem Regen harrt eine Schafherde aus mit gesenkten Köpfen und hängenden, tropfenden Ohren, halbgeschlossenen Augen und weggetretenen Blicken. Sie klinken sich einfach aus, verlassen ihren nassen, dampfenden Wollleib und begeben sich auf Reisen. Sie ziehen zweifelsohne über eine endlose sattgrüne Hochebene und strecken wiederkäuend und zufrieden die Köpfe in die wärmende Sonne.
Wenn der Regen nachlässt kehren sie zurück in ihr Schicksal, schütteln sich einmal kräftig durch und beissen seufzend ins nasse Gras.

...

Wenn ich krank bin schaltet mein Verstand ab. Ich liege und harre aus. Irgendwann erreiche ich so eine Leere, dass ich mühelos und leicht wie nie in andere Welten transzendiere. Ich lasse mich von der Imagination davontragen wie auf einem fliegenden Teppich und lande in fernen, ungeahnten Ebenen zwischen Traum, Erinnerung, Halluzination und Phantasie.
Ich liebe diese Vermischungen der Ebenen, diese rauschhaften Wahrnehmungen und die überraschenden Verwandlungen meines Körpers.

...

...

Geträumt, ich hätte einen Bikini aus goldener Muschelseide.

Bettnotizen

Geträumt: Über die Dunkelheit legt sich ein feiner, goldener Staub.

***
Dieser Ton in meinem Ohr: Es muss höher als ein A und tiefer als ein E sein. Hätte ich doch eine Stimmgabel.

***
Stimmgabel - Durchmesser - Rotzlöffel

***

Denken geht gar nicht. Denken ist wie über ein Minenfeld gehen. Kaum bewege ich mich, explodiert es in meinem Kopf.

***

23.07.07

Tiergeschütze

Sie haben etwas Rührendes, diese eifrigen, Honigmilch getränkten Tierfreunde, die auf der Strasse Geld sammeln um ihr Gewissen zu beruhigen. Andererseits ist ihre Überheblichkeit, auf der richtigen Seite zu stehen ohne je auch nur irgendwas gewagt zu haben beinahe unerträglich. Ihr Mitleid mit Tieren sprüht nur so von Selbstmitleid. Dieses Tiergeschütze wirkt wie am Schreibtisch der Denunzianten und Kontrolleure entworfen für die Verwirrten unter den Zukurzgekommenen.
Letztendlich ist es eine ziemlich unclevere Art, die Verantwortung für die Zerstörungskraft der Gesellschaft in der die Tierschützer vor sich hin leben, abzugeben.
Tierfreunde wollen Tiere vor den Menschen retten. Sie wollen Tiere haben. Und keiner fragt die Tiere, ob sie es mit den Menschen aushalten. Keiner kommt auf die Idee, dass sie vielleicht die Schnauze voll haben und lieber aussterben. Tierfreunde wollen helfen.
Wir Menschen können den Tieren nur helfen, wenn wir uns von ihnen retten lassen. Dann haben wir auch eine tiergerechte Haltung gefunden.

21.07.07

Malaise passager

Heute den ganzen Tag im Bett verbracht, bin schon wieder erkältet verflucht noch mal. Früher war ich nie krank. Diese Sesshaftigkeit macht mich anfällig! Auf alles!
Krank. Der Tag streicht einfach so an mir vorbei und ich frage mich am Abend, warum ich überhaupt noch weiterlebe. Dann höre ich meine Mitbewohnerin in der Küche mit Pfannen scheppern und leise dringt Musik zu mir, halb Traum halb Schlaf, beruhigend. Sie fragt, ob ich essen mag und ich mag. Sehr.
Essen ist eine einfache und wirksame Überlebensstrategie.

18.07.07

Die grosse Tschibo Tank Girl Schaufenster Attraktion

Fiona: Ein Panzer, stell dir vor, die Frau bezeichnete mich als Panzer!
Ich: Du hast sie angerempelt!
Fiona: Ich habe sie aus Versehen gestreift!
Ich: Tank girl!
Fiona: Ich brauche jetzt einen Kaffee. Warst du schon mal dort drin?
Ich: Tschibo? Da kriegst du mich sicher nicht rein! Zieh nicht so!
Verkäuferin: Mittwoch ist Tassentag.
Ich: Ach ja?
Verkäuferin: Tassentag bedeutet, dass der Kaffee nur 2.90 Franken kostet.
Fiona: Am Fenster ist noch Platz. Warum hat sie Panzer zu mir gesagt.
Ich: Dein Panzer ist aus Glück, Humor und Schönheit. Was willst du mehr!
Fiona: Alle Passanten draussen schauen uns an.
Ich: Wir sitzen im Schaufenster.
Fiona: Zum Glück bin ich ein Panzer.

17.07.07

Die Hitze

sie macht, dass ich, wenn ich nur an ihn denke gleichsofortjetzt schon wieder Lust habe.

Es ist Morgen (Teil3)

Was für ein umwerfender Prachtstag! schreibe ich auf einen Zettel. Ich verlasse das Haus in aller Herrgottsfrühe und hinterlasse meiner Mitbewohnerin immer eine kleine Mitteilung auf dem Küchentisch. Um die Worte herum zeichne ich eine Sprechblase. Ich mag Sprechblasen. Ich zeichne eine Comicfigur unter die Sprechblase.
Manchmal schreibe ich etwas Lyrisches. Aber früh morgens kann Lyrik noch unerträglicher sein als ein erzählter Traum. Ich stelle mir vor, wie sie die lyrisch-kryptischen Zeilen liest ohne irgendeinen Sinn darin zu finden und trotzdem lächelt. Aus milder Morgenstimmung heraus, oder weil sie mich mag.
Ich streiche umwerfend: Was für ein Prachtstag! Ist schon interessant, wie man irgendwann aufhört, Prachts- zwingend mit -Kerl zu verbinden, allenfalls noch mit -Schwanz. Im Alter kann einem schon die Morgensonne ein Seufzer des Entzückens entlocken. Woher kommt bloss diese Euphorie! Ich streiche Prachtstag. Ich streiche alles.
Ich schreibe: Könntest du bitte die Wäsche draussen aufhängen? Pfeil: Waschmaschine. Ich mag Pfeile. Zeichne noch ein paar Zierpfeile.
Zierpfeile, die ziemlich phallisch aussehen, fällt mir gerade auf.
Jetzt muss ich natürlich wieder an Prachtsschwänze denken.

15.07.07

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Heute hat der Drachenkopf zu blühen begonnen. Das erste Blütenköpfchen, das erstaunt in die Welt schaut. Wunderbar!

Bei schönem Wetter ist der Garten ein Paradies und ich habe solch ein Glück meine Nachmittage im Himmel zu verbringen!

10.07.07

con 24000 baci

Den ganzen Tag schon schiessen 24000 baci durch meinen Kopf. Wie Querschläger von Celentanos Stimme.
Seit ich Kusturicas „Erinnerst du dich an Dolly Bell?“ gesehen habe, wünsche ich mir wieder einen Truthahn.
Als Kind hatte ich einmal einen Truthahn. Immer wenn ich pfiff, gluckerte (gluckste?) er lauthals zurück. Er war imposant und versperrte mir den Weg zum Komposthaufen. Er konnte ziemlich heftig reklamieren. Ich fürchtete mich ein wenig vor ihm. Aber ich war auch fasziniert von seinem Hals und der eigenartigen Stimme, die aus diesem Geschwabbel hervorkullerte.
Diese frühe obsessive Faszination für das Unheimliche, Ekelhafte, Seltsame, Gefährliche und darum Schöne.

Jedenfalls ist der Text des Liedes ungefähr so:

Mit 24000 Küssen vergehen die Stunden glücklich, weil ich dich jede Sekunde küsse.
Keine wunderschönen Lügen, keine leidenschaftlichen Liebesschwüre sondern nur Küsse, die ich dir gebe je je je je je ...

08.07.07

Die Erinnerung der Topfpflanzen

Neulich sass ich in einem türkischen Restaurant und betrachtete die tropischen Topfpflanzen. Dabei erinnerte ich mich an die trostlosen Zimmerpflanzen auf all den Fensterbrettern weltweit. Die Idee, dass man eine Pflanze aus ihrer natürlichen Umgebung heraus reisst, um sie zu Dekorationszwecken bei sich aufzustellen, fand ich absurd.
Die Topfpflanzen hier im Restaurant kamen irgendwo aus dem Urwald, soviel war sicher. Da standen sie nun am Fenster in dieser düsteren Umgebung mit den Plastiktischen. Doch es schien ihnen hier an nichts zu fehlen. Pflanzen haben den Vorteil, dass sie ihre Wurzeln immer bei sich haben. Sie können im Grunde überall leben, wenn man ihnen ein bisschen Erde und Wasser gibt. Sie sind genauso entwurzelt wie ich selbst, deshalb mag ich sie.
Topfpflanzen werden sich in ihrem Wesen nie gross ändern. Eine Palme bleibt immer eine Palme auch wenn man mit ihr in einem Vorort von Reijkjavik lebt. Zunächst denkt man, dass die Funktion der Zimmerpflanzen es ist, in der Ecke oder am Fenster zu stehen und den Raum zu begrünen. Doch dann bemerkt man, dass dies nur vordergründig so ist.
Zimmerpflanzen sind nämlich Diplomaten. Und wie alle diplomatischen Vertreter halten sie sich bedeckt. Hauptsächlich leben sie vom repräsentieren. Meist stehen sie nur da und erinnern sich: An die Düfte und Geräusche ihrer Heimat, an die Erlebnisse ihrer Ahnen. Topfpflanzen sind immer alt, auch wenn sie noch ganz klein sind. Und weil sie alt sind, halten sie gerne ab und zu ein Schwätzchen. Deshalb ist es natürlich gut, wenn sie Pflanzen antreffen, die aus derselben Region stammen wie sie selbst. Dann erzählen sie einander Geschichten vom Urwald und den Giftpfeilkröten, die zwischen ihren Wurzeln umher hüpften und dem warmen Regen, der über sie hinweg fegte. Sie erzählen von den Schreien der Papageien, die sie gehört haben in mondhellen Nächten. Dann schauen sie sich um und sagen:
Hier bin ich, das ist gut, ich habe alles dabei und was ich weiss genügt.

06.07.07

Romantische Momente

Wenn ich jetzt ein Handy hätte, würde ich auf eine Mitteilung warten und nicht auf ihn, denke ich beim Warten.

04.07.07

Depeschieren Sie bitte!

Den Satz geträumt: Ich möchte am liebsten mein Herz depeschieren.
Keine Ahnung wie dieses altmodische Wort in mein Traumrepertoire gelang.
Überhaupt: Absurde Herzträume in letzter Zeit.

* * *

porös-pornös

* * *

Sage ohne es zu merken trächtig anstatt schwanger. Deformation professionelle.

* * *

Mit meinen Freundinnen in der ‚Turnhalle’, gleich anschliessend an Kunst über Mittag, heute ein
Auberginen-Peperoni-Olivenpaste-Focaccia
vom Kellner empfohlen bekommen,
und die Art, wie er Auberginen sagte, weich, fast zärtlich, und sich die Zeit nahm beim i zu lächeln. Er weiss genau, wie er auf uns wirkt. Aber er ist noch zu jung um zu realisieren, wie sehr wir es geniessen.

* * *

Depeschieren, weil es regnet.

03.07.07

Mein erster Rollkoffer

Es macht ja nur Sinn sich Tabus aufzuerlegen, wenn man sie eines Tages wieder bricht.
Der Rollkoffer ist ein gutes Beispiel dafür.

Einen Koffer auf lächerlichen Rädern hinter sich her zu ziehen ist erst einmal irritierend.
Tabubrüche sind irritierend.
Aber sie führen in den Genuss einer neuen Selbstwahrnehmung.
Die Reisetasche hängte ich mir als Zeichen schwer wiegender Unbeschwertheit lässig um die Schultern. Ich trug stets mit sturer Eitelkeit jugendliche Bedürfnislosigkeit und Flexibilität mit mir herum.
Den Rollkoffer ziehe ich unbeschwert und genauso lässig hinter mir her. Ich trage kein Gewicht mehr sondern hohe Schuhe, wenn mir danach ist. Ich packe alles ein, was nur geht: Schätze, Mitbringsel, Bücher, unterwegs Gefundenes. Und die Männer heben mir auch noch dankbar lächelnd meinen prallgeschwollenen, tonnenschweren Koffer in den Zug.
Rollkoffer sind klasse.
Mit freundlicher Bewilligung des Ministeriums für bedrohte nomadische Bewegungen.
Yes.

23.06.07

zu

Bin noch bis anfang Juli auf Reisen.

15.06.07

Es ist Morgen (Teil2)

„Ich will jetzt nichts hören!“ ruft meine Mitbewohnerin aus der Küche. Es ist Morgen. Ich stehe im Bad vor dem Spiegel.

13.06.07

Sicher ist sicher

Mein Schlüsselanhänger ist futsch. Es war der heilige Christophorus. Der Schutzpatron der Reisenden und Fahrenden. Der ganze Schlüsselbund ist mir beim Fahrradfahren aus der Hosentasche gefallen. Ein Auto fuhr straks darüber, noch bevor ich bremsen konnte. Der Christophorus zersplitterte komplett. Ich bin ja nicht abergläubisch. Ganz und gar nicht. Aber das ist nun eindeutig ein Zeichen. Ganz egal was es bedeutet, ich habe beschlossen vorsichtiger zu fahren. Vielleicht sollte ich mich nicht mehr an die Strassenbahn hängen und mich von ihr über die Kirchenfeldbrücke ziehen lassen.

12.06.07

eigentlich

Die Welt ist freundlich
Warum wir eigkntllch nchtt

11.06.07

Es ist Morgen

„Ist letzte Nacht ein Traktor durch die Wohnung gefahren?“ fragt meine Mitbewohnerin aus dem Bad. Es ist Morgen. Ich sitze in der Küche und stelle mir vor, wie ein Traktor durch die Wohnung fährt. Die Vorstellung ist nicht übel. So früh morgens laufen solche Filme noch in Zeitlupe ab.
„Warum?“ rufe ich zurück.
„Ich sehe aus, als wäre ich von einem Traktor überfahren worden,“ sagt sie.
Sie setzt sich zu mir an den Frühstückstisch. Die Reifen haben tatsächlich ein paar interessante Abdrücke auf ihrer Wange hinterlassen. Über den ganzen Arm erstreckt sich ein eingeprägtes Pneuprofil.
„Und,” fragt sie, „wie sehe ich aus?“
„ Die Nacht hat hübsche Falten auf deine Haut tätowiert.“
„Und ist die Nacht auch über meinen Kopf gefahren? Ich sagte doch Traktor! “
„Du siehst total traktoriert aus“ sage ich „mit deinen flachgedrückten Haaren, deinen geschwollenen Augen und dem zerknitterten Gesicht. Das sieht so sexy aus, das glaubst du gar nicht.“
„Sexy“
„Mhmja.“
Sie lächelt endlich.

08.06.07

Kontrollieren Sie bitte.

Heute ist ein grosser Tag. Heute kommt mein Lieblingskondukteur vorbei. Ich sehe ihn draussen auf dem Bahnsteig stehen. Ich kann es kaum erwarten. Er wird mir bestimmt wieder in die Augen schauen bevor er mein Billet kontrolliert.
Seit drei Wochen warte ich auf diesen Augenblick. Vor drei Wochen schaute er mir tief in die Augen und kontrollierte mein Billet.

„Bonjour,“ höre ich ihn sagen. Er steht plötzlich vor mir und ich erstarre. Ich wage es nicht, ihm in die Augen zu schauen. Mein Herzschlag jagt wie eine Flipperkugel in meiner Brust herum. Ich kann mich nicht mehr bewegen. Er wartet. Er legt seinen Arm auf die Sitzlehne. Ich höre seine Uhr ticken, so nah ist seine Hand an meinem Ohr. Er will dein Billet sehen, denke ich. Nimm das Billet hervor und zeige es ihm.
„Oui?“ fragt er nur.
„Votre sourir me tourmente,“ sage ich errötend. Tourmente. Tourmente. Das ist sicher das falsche Wort. Mir fallen immer die falschen Worte ein, in solchen wichtigen Momenten. Ihr Lächeln tourmentiert mich. „En bien ou en mal,“ fragt er lächelnd. Was um Himmels Willen bedeutet tourmente, denke ich und sage ja ja, im guten, nicht im schlechten Sinn. „Ah bon,“ sagt er erstaunlich erleichtert.
Gerettet.
Ich schaue ihn kurz an. Er hat unverschämt helle Augen. Ich bin verloren. Ich erröte und sage: „Je rougis.“ Er geniesst es ausgiebig mich roujir zu sehen. Ich fächere mir mit der Hand etwas Luft zu. Es hilft nicht. Es sieht nur dramatisch aus. Als würde ich gleich in Ohnmacht fallen. Mit glühenden Wangen halte ich ihm mein Abonnement vor die Augen. Er nimmt es mir aus der Hand, dreht es um und steckt es richtig herum wieder zwischen meine Finger. Ich wünschte, ich würde jetzt in Ohnmacht fallen.
Als er geht bin ich erleichtert und enttäuscht zugleich. Ich hasse das, diese gegensätzlichen gleichzeitigen Zustände. Es fühlt sich an wie zwei Kugeln auf einmal im Flipperkasten. Man spielt sie wie besessen und kriegt nichts mehr mit vom Spiel.
Von hinten sehe ich, dass er einen langen, schwarzen geflochtenen Haarzopf hat. Ein Kondukteur mit geflochtenen Haaren. Hellen Augen. Sonnenbrille auf dem Kopf. Ein Ohrring im linken Ohr. Wo gibt es denn so was.
Ich beruhige mich und bleibe noch eine Weile an dem Gedanken hängen, wie er ohne Uniform wohl aussieht. Nicht nackt jetzt. In seiner Freizeithose meine ich. Ist es ein Rocker? Oder eher ein Künstler?
Da taucht er plötzlich wieder vor mir auf. Mein Herz fällt in Ohnmacht. „Excusez-moi“ sagt er während er kurz stehen bleibt und mit dem Finger in seine Richtung zeigt, aber er müsse noch einmal hier entlang gehen. Dabei grinst er. Er grinst und geht entlang.

Ich muss meine Kollegin fragen, was tourmenter bedeutet, denke ich und nehme zwei Tritte auf einmal die Treppe rauf. „Chantal?“ rufe ich während ich die Tür öffne. Chantal ist Französischlehrerin und heisst wirklich so. Wenn man sie ärgern will, spricht man es deutsch aus: Schahnthal. Ich will sie nicht ärgern und rufe: „Chantal, was heisst vous me tourmentez?“
- „Das heisst, dass jemand dir grosse Probleme bereitet.“
- „Probleme welcher Art?“
- „Quälende, bedrängende Probleme.“
- „Kann es auch positiv gemeint sein?“
- „Nein.“
- „Ausgeschlossen? Auch nicht in einem positivmasochistischen Sinn?“
- „Es ist definitiv negativ,“ sagt sie.

29.03.07

Starke Frauen Teil 4

Rodeo Woman Fox Hastings

Sie hat alles um eine Legende zu sein: Ausreisserin aus dem elterlichen Haushalt mit 14, dann Heirat mit einem professionellen Rodeoreiter und Selbstmord in jungen Jahren in einem verlassenen Hotel in Arizona. C’est la vie.


Stark war sie bestimmt, denn ihr Rekord im Bullen flachlegen lag bei 17 Sekunden. Wenn Sie verstehen, was ich meine.

Die Fotos von ihr stammen von Homer Venters.



27.03.07

Über das Vergessen und den Schnee von heute

Ich versuche ihn zu vergessen. So, wie man sich das Rauchen abgewöhnt. Man denkt den ganzen Tag ans Rauchen und freut sich dann, dass man es geschafft hat nicht zu rauchen.
Ich wache morgens auf und mein erster Gedanke ist: Vergiss ihn!
„Aber...“ sagt die Erinnerung.
Vergiss ihn, denke ich, er passt nicht zu dir.
„Aber...“ seufzt die Nostalgie.
Vergiss ihn, sage ich, du warst doch glücklich auch ohne ihn.
„Aber...“ sagt die Lust.
Vergiss ihn! Wahrscheinlich hat er eine Geschlechtskrankheit. Bestimmt macht er ein Theater wegen den Kondomen. Oder seine Ex reitet ihn im Geiste immer noch in die Hölle und er ist zufrieden damit. Vergiss ihn!
„Aber...“ sagt die Lust. Sie gibt nicht so schnell auf.
Ich weiss schon, dir geht es nicht nur ums Ficken, meine Gute, erwidere ich voller Verständnis. Du wirst auch älter. Dir geht es um die warme Nachmittags-Sonne die auf uns scheint, wenn wir danach erschöpft am Boden zwischen den zerwühlten Laken liegen. Doch überleg mal ernsthaft meine Liebe, sage ich ganz vernünftig zu meiner unzufrieden im Zimmer hin und her trabenden Lust: Was ist wenn dir sein Schwanz nicht gefällt, was dann?
„Mir hat noch jeder Schwanz gefallen,“ erwidert die Lust eigensinnig „Und er hat bestimmt den schönsten Schwanz der Welt, wenn du meine Einschätzung hören willst.“
Dann küsst er sicher schlecht! Ach, vergiss ihn einfach! Er passt einfach nicht!
(Stille)
„Aber...“ fällt der Erinnerung plötzlich ein, die sich inzwischen den Einwand ‚Er passt nicht’ nochmals überlegt hat, „deine Nachbarin hat auch einen neuen Freund, der nicht zu ihr passt.“
Gestern Abend hatte sie mich zum Essen eingeladen und ihn mir vorgestellt. Er heisst Guglielmo und spricht Italienisch mit einem Akzent. „So süss,“ sagte meine Nachbarin. „Ich verstehe zwar oft nicht, was er sagt, aber ich höre ihm so gerne zu,“ schwärmte sie, als wären seine Worte wie Puderzucker auf ihr Gehirn gerieselt.
Er sieht aus wie ein Superheld in einem unkolorierten Comic. Seine Aufgabe ist vermutlich, durch seine Makellosigkeit die Welt von allem Bösen zu erlösen. Deshalb wurde er gezeichnet. Seine Gesichtszüge wirken prägnant und konturlos zugleich. Als ob man alles Aufsehen erregende mit einem Make-up-Schwamm weggewischt hätte. Irgendeinen Fehler muss er doch haben, dachte ich mir, und während ich mit ihm redete, wartete ich nur darauf, dass er sich durch eine unkontrollierte Geste als perverser Zahnarzt, feiger Psychotherapeut oder psychotischer Heiratsschwindler entlarvte. Nicht dass mich das jetzt sehr beeindruckt hätte, denn ich habe nie Zahnärzte oder Psychotherapeuten kennen gelernt, die anders gewesen wären. Und etwas Traurigeres als „normale“ Heiratsschwindler gibt es sowieso nicht. Doch es wäre eine willkommene Abwechslung zu dem Geplapper gewesen.
Aber so einfach war das nicht mit diesem durchtrainierten Bauchredner. Er redete und redete und ich sah zu, wie die Silben aus seinem losen Fischmaul perlten ohne ihren Sinn auch nur zu ahnen. Bald merkte ich, wie unwichtig es ihm war, dass ich ihn nicht verstand. Er sah einfach gerne den Zuckerschlösschen zu, die sich vor ihm auftürmten, während er redete.
Ich fragte mich, wo sich die Beiden wohl kennen gelernt haben. Vermutlich im Internet. Er kam bisher in der realen Welt meiner Nachbarin nicht vor. Nun sind sie zusammen. Und das Irreale an der Begegnung schwebt wie ein geheimnisvolles Missverständnis über ihnen.
(Stille)
Weshalb kommt eigentlich kein „Aber...“ mehr?

Es scheint ein sonniger Tag zu werden heute. Auf den Sträuchern vor meinem Fenster liegt noch etwas Schnee. Ich wäre heute so gerne mit ihm Schlitteln gegangen. Nun wird er allmählich aus meinem Sehnen verschwinden wie der Schnee, draussen vor der Stadt auf den Äckern, der langsam in den Furchen zerschmilzt.

Die schönsten Fehler heute

Schreiben Sie bitte einen Satz mit dem Wort:

heiss

Wie heisst er?


25.03.07

Sonntagsmusik bei Minka



Beirut entdeckt.
Das Album Gulag Orkestar.
Ein Album, ganz nach meinem Geschmack. Ein 20 jähriger begnadeter Musiker Namens Zach Condon steckt dahinter.
Und welch wundervolle Stimme er hat. Dieu de Dieu!

23.03.07

Das Gefühl für die Zeit

Ich fahre neuerdings jeden Tag mit dem Zug nach Biel. Und ich renne aus diesem Grund jeden Morgen durch den Bahnhof, weil ich immer spät dran bin und kein Gefühl für Bahnhöfe, wartende Züge und Sekunden habe. Es handelt sich bei verpassten Zügen immer um Sekunden. Und bei erwischten Zügen um pochende Herzschläge.
Während der Zugfahrt lese ich oder kombiniere, was man eben so morgens alles in Gedanken zusammen kombiniert.
Im Moment kann ich aber weder lesen noch denken. Draussen schneit es und der Gedanke an diesen Mann fühlt sich an, als würde es in meinem Kopf stürmen und schneien. Ich traf ihn gestern Nachmittag und er sah noch besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Wenn er lachte, bildeten sich kleine Falten auf seinen Wangen und als er mir in die Augen schaute, war ich in höchster Lawinengefahr.
Ach, was will man mehr, als am Zugfenster zu sitzen und die Schmetterlinge im Bauch über den Schnee flattern sehen.

09.03.07

Die Blonde, die sich ein wenig geniert und der Latino, der sie dabei massiert

Die Blonde und der Latino sitzen neben mir in der Bar. Sie sieht vom Typ her ein wenig aus wie die Sprechstundenhilfe, die man sich als Mädchen mit 12 Jahren zu werden wünscht. In dieser kurzen Phase, nachdem man begriffen hat, dass Pferdezureiterin und Tierärztin auch nicht so ganz das Wahre zu sein scheinen. Sie spricht in einem fort und er hört geduldig zu. Indianer sind geduldig, sagen seine Augen. Tja so ist das, Gringa. Verständnis, Verständnis überall. Er versucht ganz offensichtlich, sie zu verführen. Weshalb sollte er sonst immer noch Lächeln, bei all dem was er zu hören bekommt.
Verführungen sind immer ein spannendes Theater, denke ich. Zumindest solange die Akteure noch nüchtern sind. Ich warte auf meine Freundin und das unerwartete abendliche Unterhaltungsprogramm kommt mir gerade sehr gelegen.
Er schlägt ihr also eine Massage vor.
- Warum willst du mich denn massieren? fragt sie.
Blöde Frage, denkt er. Aber was er sagt ist:
- Ich bin Masseur. Ich mache die besten Massagen der Welt. Du wirst schon sehen.
Ich bemerke ihre Verlegenheit, weil sie nicht einschätzen kann, worauf er hinaus will. Warum sagt er Massage, denkt sie, oder meint er das wirklich. Aber eigentlich will sie es auch gar nicht so genau wissen. Wegen der Romantik und so....
Der Indio lächelt sie weiter gelassen an, während er daran denkt, wie er ihren bleichen Blondinenkörper unter seinen Händen um den Verstand bringen wird. All die Sonne in seinen Händen.
Weil ihr nichts besseres einfällt schüttelt sie nun erstmal verneinend ihren kopflosen Bernerburgerinnen-Blondschopf. Sieht immer gut aus, besonders jetzt mit der neuen Frisur. Hunde gähnen in so einem Moment, habe ich mal gelesen, als Übersprungbewegung. Aber gähnen kann sie jetzt ja schlecht. Doch man sieht schon jetzt, dass sie fühlt, dass sie sowohl ein ja wie auch ein nein später gleichermassen bereuen wird.
- Nur eine Massage, höre ich ihn sagen, und seine Stimme klingt so aufmunternd wie die eines Frisörs, der sagt: Nur die Spitzen.
- Na ja, eigentlich hast du recht, sagt sie, eine Massage könnte ich jetzt ganz gut brauchen, und verzieht dabei die Schultern um so etwas wie eine Verspannung vorzutäuschen.
Sogar ich spüre, dass sie es jetzt darauf ankommen lassen will. Aber sie will ohne wollen zu müssen. Sie stellt auf Autopilot. Sie fliegt gerne mit dem Autopiloten über einen ihr fremden Strand. Durch die Sonnenbrille sehen die Strände eh alle gleich aus und das Meer erscheint von oben so dunkel und schwer, dass man sowieso nie darin baden möchte. Nur das mit der Landung in Bern-Bümpliz ist manchmal etwas schwierig, weil automatisch geht das nicht. Aber wenn die Pilotin ihre Maschine kennt spürt man die Landung kaum. Ha ha guter Spruch oder?
Sie möchte, dass der Lauf der Dinge für sie entscheidet. Dabei nähert sie sich innerlich einem Zustand, den sie als „spontan“ bezeichnen würde.
Allerdings endet das mit der Spontaneität wie sie aus Erfahrung weiss, meist tragisch. Das funktioniert eigentlich nur theoretisch, das mit der Spontaneität. Wenn man z. B. an all die Menschen denkt, die letztes Jahr ganz spontan nach Thailand in die Ferien gefahren sind und dann kam diese Flutwelle. Sie kam ja auch total spontan verrückt, so ganz spontan unkonventionell. Obwohl die sich wahrscheinlich schon frei fühlten damals, so ohne Koffern und Retourticket und alles. Aber so eine spontane Freiheit, die kann einem ganz schön Angst machen.

Doch jetzt hat dieser braungebrannte, exotische Latin-Lover sie zu massieren begonnen und sie glaubt für einen kurzen Moment, dass sie alles spontan richtig gemacht hat. Jedenfalls fühlt sich alles so an, wie damals als sie die Story darüber in dieser Zeitschrift für weltgewandte Frauen las. Dort stand auch, dass jede Frau ein Recht darauf hat sich verwöhnen zu lassen, und schliesslich war es ja seine Idee gewesen, das mit der Massage. Sie wusste zwar, dass er etwas anderes wollte, aber sie wusste auch, dass sie in einer Stunde zum Yoga verabredet war. Punkt.

Ja so ist das Indio, sagte Montezuma später zu dem mythischen Masseur als sie zusammen wieder draussen auf der Strasse standen, sie lassen dich das Zuckerrohr zwar jäten und ernten, Amigo, aber der Saft der durch deine Finger rinnt, schmeckt meistens bitter.

07.03.07

06.03.07

Mutige Frauen Teil 2

Quelle leider nicht mehr bekannt, gefunden irgendwann, irgendwo im Welt Weiten Web

Untertitel:
Wie man Erinnerungen und Geheimnisse konserviert

Auf meiner Reise in Kanada schenkte mir ein Jäger eine Dose Bärenfett. Es ist eine alte, rostige Farbdose mit einem Deckel, den ich nur mit einem Schraubenzieher öffnen kann. Ab und zu öffne ich die Dose und schaue rein, als gälte es ein Geheimnis zu lüften. Ich könnte damit meine Lederstiefel einreiben aber das tue ich nicht. Ich bewahre meine Fettdosen lieber auf. Ich habe seit zwanzig Jahren eine Murmeltierfett Dose, die ein Hirte im Bündnerland mir geschenkt hatte. Wenn ich die Murmeltierfettdose öffne, fallen mir all die Geschichten und Abenteuer meiner jungen Jahre in den Bergen ein, als wären sie darin bestens konserviert.

05.03.07

Als Kind wollte ich Dompteuse werden

Sehr empfehlenswert: Die Ausstellung Haarsträubend im Museum für Kommunikation.

Viele spannende Bilder sind Leihgaben aus Berlin. Zum Beispiel dieses hier:

Claire Heliot 1866 - 1953



Nun weiss ich auch, wie Wildschweinduftdrüsen riechen: Es erinnert einen an etwas, aber man kommt nicht gleich dahinter, was es ist. Es ist wie der haftende Geruch nach dem Sex. Er ist nicht zu orten, schwebt wie eine Erinnerung im Raume.

Bibergeil, das Sekret aus dem Castorbeutel des Bibers riecht sehr männlich. Der Geruch von Dunkelheit und Bartstoppeln, und weichen, warmen Hoden unter der Decke.

Und wenn ich schon dabei bin: Moschus riecht nach fickrigen, kleinen Männern. Das ist aber persönlich. Ich kannte mal einen kleinen, fickrigen Mann, der sich so ein Moschus Duft an den Hals schmierte.

04.03.07

Handwerkerinnen bei der Arbeit

„Lass mich auch mal bohren,“ sagt meine Mitbewohnerin. Ich drücke ihr den Bohrschrauber in die Hand. „Hier bohrst du rein,“ sage ich und zeige ihr die Stelle auf dem Holzbalken. Sie bohrt ein wenig und bleibt stecken. „Immer rein und raus,“ sage ich. „Arbeite dich langsam vor, immer ein Stück tiefer rein.“ Sie bohrt und lacht plötzlich: „Ich wusste gar nicht, dass Bohren etwas so Sexualisiertes ist.“

28.02.07

Der Klang bewegter Stille

Le temps reposé rêve des silences en mouvements.
Oscar Wiggli.

26.02.07

Die dahintreibende Kranke und das Äffchen ihrer Träume

Wenn ich krank bin werde ich anhänglich. So anhänglich wie meine süsse kleine Freundin Zhu, wenn sie betrunken ist. Dann lehnt sie sich schwankend an mich wie an ein Brückengeländer, weil ihr schwindlig wird, sobald sie in die Tiefe schaut. Sie verknotet ihre Arme um meinen Hals wie ein Halstuch. Sie legt den Kopf auf meine Schulter und denkt keine Sekunde daran, den Knoten zu lockern. Sie sagt: Minka, ich habe dich so vermisst.
Tja, ich bin krank und habe Halsschmerzen. Wenn ich krank bin werde ich anhänglich und vermisse alle Menschen. Das ist die grosse Misere. Aber das ist nicht alles: Mir sind die Papiertaschentücher ausgegangen und ich schnäuze mich in ein Bettlaken aus dem Wäschekorb. Einen Zipfel des Tuches habe ich immer in der Hand, der Rest hängt wie ein nutzloser Hochzeitsschleier vom Bett runter. Ich merke gerade, dass ich gerne ziemlich deliriöse Allegorien produziere. Ich hätte es gerne etwas dramatischer, überreifer, unheimlicher... Bitte. Schliesslich bin ich krank. Nochmals dramatischer: Der Rest hängt hinunter wie ein zerrissenes Segel am Schiffmast eines verwesenden Geisterschiffes, das seit Äonen verloren im weiten Ozean umher treibt. Das mit dem Segelschiff ist mir gerade eingefallen, weil ein Freund letzte Nacht von mir träumte, ich hätte ein Segelschiff auf dem Bauch tätowiert und daneben einen Walfisch, der sich lachend auf Höhe der Leber an meiner Seite tummelt. Lebertran. Ein Walfisch auf der Leber. Wenn ich mal Geld und Zeit habe, werde ich mir einen Schafbock mit grossen Hörnern auf die Leiste tätowieren lassen. Er würde auf meinen Schamhügel zuspringen und vor Freude die Hinterfüsse in die Luft werfen. Ich schnäuze mich langsam von einer Ecke des Lakens zur nächsten vor. Wenn das Laken vollgeschnäuzt ist habe ich immer noch den Wäschekorb mit den Badetüchern. So nun ist aber genug mit der Misere.
Ein kleines Äffchen auf der Schulter tätowiert würde mir auch gefallen.
Es würde mir Geheimnisse ins Ohr flüstern, und sich dann verschmitzt die Hand vor den Mund halten.
Wenn einem ein Äffchen etwas ins Ohr flüstert, ist das wie ein Bächlein mit bunten Papierschiffchen, das durch die trübselig gestimmte Landschaft der eigenen Gedanken plätschert.
Am liebsten wäre mir natürlich ein weitgereistes Äffchen, dass mir alles erzählen würde, was es im Laufe der Jahre gesehen und erlebt hat. Wobei die furchterregenden, japanischen Geistergeschichten von den gummihalsigen, rachsüchtigen Dämoninen, die sich nachts an einsame Wanderer heranschleichen, die allerbeste Medizin für Halsschmerzen sind.


Natürlich ist so ein Äffchen ein Feinschmecker, der sämtliche Gerichte, auch diejenigen aus den entlegensten Gegenden der Welt kennt und blitzschnell selber kochen kann.
Ach, warum kommt meine Mitbewohnerin nicht endlich nach Hause und kocht mir ein Süppchen und bringt mir dreihundert Multipackungen Taschentüchern ans Bett und erzählt mir, was auf der Welt passiert?

24.02.07

Ohne Worte

Brot mit Alpenrosenhonig und Ricotta und gerösteten Mandelplättchen.
Dazu Lindenblüten Tee mit Holunderblütensirup.

23.02.07

Delirium

Oh mein Dampfkochkopf

22.02.07

Dessinieren Sie bitte!


Ich liege erkältet im Bett. Wenn ich nicht mehr schlafen, nicht mehr lesen und auch keine Urlaubsfotos mehr sehen kann, dann nehme ich meinen schnugeligen Laptop ins Bett und zeichne. Es ist ein lustiges Wunderspiel: Mit jeder Zeichnung, die ich abschicke, bekomme ich eine Neue vorgezeichnet. Irgendwo auf dieser Welt sitzt ein Mensch, der mir eine Zeichnung macht. Nur mir. An mein Krankenbett.
Wie schön.
Am meisten freue ich mich immer über japanische Manga Zeichner. Die sind klasse.
Und wäre meine Hand nicht so zittrig und mein Kopf so deliriös, wäre ich vermutlich schon längst süchtig.

20.02.07

Dekonstruieren Sie sich bitte! Teil 4

Der Sportwagenfahrer, der sogar im Winter mit offenem Fenster und ohrenbetäubender Musik fährt um den Frauen aufzufallen. Wie wichtig es ihm ist, dass alle seine momentane Stimmung, seinen geilen Musikgeschmack und seinen männlichen Egoismus mitkriegen. Er nimmt sich so wichtig mit seinen Gefühlen. Wie er starr vor sich hinsieht, um Gleichgültigkeit gegenüber all den Dingen zu demonstrieren. Das Tragische ist, dass er nicht realisiert, wie lächerlich er sich bei den Frauen macht.

19.02.07

I will rock this house!



Ich lese heute Abend am Tintensaufen im Musig Bistro Monbijou um neun.

17.01.07

Au revoir!

Ich habe keine lust mehr hier etwas zu schreiben.
Das ist alles.

02.01.07

Ich fahre gleich für zwei Wochen nach Berlin und Umgebung.