20.12.08

Bin auf Reisen

Beginne in Südfrankreich.
Bis Ende Januar.

Schöne Feste wünsche ich Ihnen.

19.12.08

...

Ich habe einen Monat Zeit und drei Optionen:
Erstens: Berlin. Berlin ist insgesamt unglaublich verlockend. Aber dort trinke ich zu viele Cocktails. Und nicht nur das: Ich schlafe nicht, ich tanze, küsse und gerate in Turbulenzen. Es schleudert mich durch alle gefühlten und verboten schönen Nächte. Danach kommen immer die Aufräumarbeiten. Ich muss Berlin meiden. Vergessen.
Vergessen kann ich Berlin nur, wenn ich mich verliebe. Verlieben kann man sich auch im Internet. Meine lesbische Kollegin hat im Internet ganz seriös eine wunderbare Freundin gefunden. “Seriös, Minka,” sagt sie, “da hüpft man nicht gleich beim ersten Date, so wie du dir das wahrscheinlich gewohnt bist, ins Bett.” Das sind wörtlich ihre Worte. Sie schätzt mich ganz falsch ein. Ich bin nicht so. Ich hüpfe nicht ins Bett. Ich lege mich aufs Bett, spreize die Beine und sage fick mich. Das Problem ist, dass ich keine Kreditkarte habe. Ohne Kreditkarte kann man im Internet keinen Mann kennen lernen. Ich meine einen seriösen Mann.
Fiona hat eine Kreditkarte und sucht gerade einen Mann für sich. Sie hat auch schon ein paar Männer für mich entdeckt. Zum Beispiel einen Account Manager, der zu 89 % zu mir passt. Diese Kongruenz sei phänomenal, sagt sie. Auf dem kleinen Foto lächelt ein rundes Gesicht mit Schnauz.
„Der sieht wie Papa Moll aus,“ sage ich und schlucke leer.
„Bei dieser Übereinstimmung kannst du ruhig über Äusserlichkeiten hinwegsehen,“ sagt sie. „Ich bin nie über 70 % matchingpoints gekommen.“
„Matching was?“
„Keine Ahnung, was das bedeutet,“ sagt sie.
„Oh when the saints, go matching in....“
„Es heisst marching in,“ sagt sie. Marching.
Marching ist auch genau die dritte Option. Ich marschiere los. Ich gehe auf Reisen. Am liebsten würde ich die Prinzeninseln vor Istanbul bereisen, oder nach Dänemark fahren, Rumänien wäre auch nach meinem Geschmack, aber es ist die falsche Jahreszeit dafür.
Südfrankreich? Da wäre es milder. Was mich auch reizen würde ist der Jurahöhenweg, von Basel nach Genf. Zu Fuss. Aber da liegt gerade so viel Schnee. Mal sehen.

17.12.08

Warum ich keine Träume erzähle

Ich träumte von einem Mann mit zwei Schwänzen. Es sah ganz und gar nicht abartig aus, im Gegenteil. Ich wusste, dass das manchmal vorkommt, also quasi normal ist, wie... Zwillinge. Diese verworrene, unfassbare Traumlogik. Und ich freute mich, dass ich dieses Doppelglück für mich hatte, einen vorzüglichen zweischwänzigen Mann mit allem drum und dran.
Ich träumte das sicherlich, weil ich gestern Abend einen Pornoausschnitt gesehen hatte mit zwei Frauen, die sich zusammen erstklassig um einen Schwanz kümmerten.
Mein junger Mann im Traum hatte zwei Schwänze für solche Fälle.

15.12.08

c'est chic le fric

Erst als ich an der Kasse die drei Einkaufstüten voll gepackt hatte, realisierte ich, dass ich die gar nicht tragen konnte. Draussen vor dem Laden überlegte ich, was nun. Vor allem im Hinblick auf die nächsten fünfzig Jahre, das Alter. Die Einkaufstüten werden immer schwerer, so ist das nun mal. Ich dachte nach und beobachtete Frauen mit Einkaufswägelchen. Einen Einkaufswagen anschaffen kommt mir nicht in die Tüte, dachte ich. Auch keinen Trendigen, mit rosafarbenen Blumen auf orangenem Hintergrund. Auch keinen Korb auf Rädern, wie diese naturkostende Frau einen hatte. Ich hasse Einkaufswagen noch mehr als Rollkoffer.
Schliesslich habe ich einen Teenager angequatscht und ihm einen Batzen versprochen, wenn er mir meine Einkaufstaschen nach Hause trägt. 5 Fr. um genau zu sein. Er nahm die Tüten und stapfte neben mir her, die gute Tat in seinen Händen, sein Tempo auf mich abgestimmt. Ich trug meine Handtasche und ein schickes Lächeln. Ich habe mich noch nie so glücklich alt gefühlt wie in diesem Moment.

14.12.08

Sonntagsmusik bei Minka

Das hat mich eben zu Tränen gerührt.

(Vor allem der Zither-Spieler...)

13.12.08

Ich heisse

"Isch’eisse klingt wie ich scheisse," sagt die Koreanerin und lacht.

10.12.08

Es schneit ununterbrochen

Auf der gegenüberliegenden Strassenseite schaufelt Fredi Schnee. Er haut mit der Schaufel auf die Büsche ein, damit der Schnee runter fällt. Er schlägt richtig wild auf die armen Büsche ein. Dann schaufelt er noch mehr Schnee zusammen. Raucht dabei seinen Stumpen. Er könnte auch Heinz oder Erwin heissen. Er sieht aus wie ein Rentner, der einen beigegrauen Volvo in der Garage stehen hat und Alfred heisst.
Im Sommer fegt er täglich vereinzelte, verloren gegangene Blätter zusammen, im Herbst das fette Herbstlaub. Er macht es mit der peniblen Gründlichkeit eines Schweizer Rentners. Aber wenn Sie mich fragen, geht es ihm nicht um Sauberkeit.
Es ist sein Ritual. Seine Flucht. Er hat eine halbe Stunde lang Ruhe vor seiner Frau und kann seinen Stumpen rauchen.

07.12.08

mein Sonntag

Den ganzen Tag damit verbracht, einen Rechnungsfehler zu finden: Die Studentin, die den Businessplan verfasst hat, errechnete für 2009 einen spektakulären Umsatz von circa Fünfeinhalbmillionen Franken. Nach vier Stunden Überlegen wusste ich, wo der Hase im Pfeffer lag: Sie hatte ein paar kleine Denkfehler gemacht. Und nach weiteren zwei Stunden hatte ich die Scharte ausgewetzt. Wissen Sie, woher die Redewendung mit der Scharte auswetzen kommt? Vom Schleifen der Sense mit dem Wetzstein. Man schleift sozusagen die Unebenheiten an der Schnittkante aus, bis sie wieder messerscharf ist. Meine scharfen Berechnungen schnitten darauf auch gleich ein paar Millionen Franken ab. Trotzdem kann ich mir in den nächsten Jahren ein paar lustige Franken verdienen, wenn ich will.

06.12.08

...

Er bräuchte eine Frau, die hinter ihm steht, wenn er Rückendeckung braucht, ihn aufbaut. Ihn berät und ermutigt. Die ihn bei wichtigen, grossen Entscheidungen unterstützt, und unlösbare Rätsel löst. Sie müsste Super heissen. „Super, es ist so gut, dass du an mich glaubst,“ würde er sagen. „Du hast immer so gute Ideen, Super.“ „Wie schön, weißt du immer Rat, meine liebe Super.“
Wir alle bräuchten jemand, der Super heisst.

04.12.08

Konzentrieren Sie sich bitte!

Abends unterrichte ich eine Klasse mit elf Männern und zwei Frauen. Die Frauen kommen aus Kolumbien und kleben ständig zusammen wie ein Doppelpack. Die Männer kommen aus Libanon, Haiti, Kurdistan, England, Pakistan, Algerien, Ecuador. Es ist eine spürbar männliche Energie im Raum. Ich merke das, weil ich als Lehrerin sofort strenger, distanzierter und sachlicher werde. Sie produzieren am laufenden Band Anspielungen, aber eher zufällig und ohne die Bedeutungen zu kennen. Sie kreieren Zweideutigkeiten, die sie noch gar nicht verstehen. Ich weiss, dass sie mir auf den Hintern schauen, wenn ich an die Wandtafel schreibe. Aber sie tun es aus Gewohnheit und nicht aus Absicht. Sie wagen es nicht, mit mir zu flirten, und doch tun sie es mit ihrer Körperlichkeit, ihrem Geruch und männlichen Gesten.
Zum Beispiel der Rumäne: Er trägt immer helle Hemden auf nackter Haut. Er zeigt gerne seine Brusthaare und lässt unverschämt viele Knöpfe offen. Manchmal packt ihn die Kolumbianerin vorne am Hemd und sagt: „Mach das zu, Mann, das ist ja nicht auszuhalten.“ Doch er lässt es offen.
Der Rumäne ist in Kanada aufgewachsen und sah mit seinen langen Haaren, dem karierten Hemd, den Koteletten und spitzen Cowboyschuhen wie ein kanadischer Holzfäller aus, als er vor einem Jahr in die Schweiz kam. Inzwischen sieht er wie Brad Pitt aus. Kurze Haare, angedeutete Haartolle, feines Goldkettelchen, blaue Augen, Verführerlächeln.
„Mach dein Hemd zu,“ sage ich ihm, als er mir sein Heft zum Korrigieren hinlegt und seine Brusthaare präsentiert. Er geht schweigend an seinen Platz zurück, setzt sich, sieht mir in die Augen und knöpft langsam sein Hemd zu.
Wie soll ich mich da konzentrieren.

03.12.08

02.12.08

Wie fühlt ihr die Nacht?

Ich unterrichte vormittags eine Klasse mit elf Frauen und einem jungen tschechischen Opern Tenorsänger, der extrovertierter und insgesamt hysterischer als alle Frauen zusammen ist. Elf Frauen, aus aller Welt. Tibet, Süd-Korea, Kuba, Polen, Kolumbien, Angola, Sri Lanka, Bosnien, etc. Sie lernen bei mir Deutsch.
Der Opernsänger kommt jeden Morgen zu spät und schläft ein, sobald er an seinem Platz sitzt. Er schläft seelenruhig bis etwa zehn Uhr. Dann öffnet er die Augen und trinkt ein Red Bull. „Trink das nicht,“ sage ich ihm, „das bringt dich noch um.“ „Ich bin vor elf Uhr morgens nie wach,“ sagt er, „ich brauche das um aufzuwachen.“

Wir üben Fragen mit Fragewörtern zu einem bestimmten Thema. Es sind die üblichen Beispielfragen. Aber es sind immer öfter auch Fragen von Frauen unter sich:
„Wie oft habt ihr eigentlich mit euren Ehemännern Sex?“, fragt die Koreanerin zum Thema Verkehr, weil ihr das Wort Geschlechtsverkehr einfällt, und es interessiert sie wirklich. Sie steht für die Frage sogar auf. Sie ist seit acht Monaten mit einem Schweizer verheiratet. Sie bringt immer solche Fragen.

Thema Familie: „Wie habt ihr euren Ehemann kennen gelernt?“, will die Kubanerin wissen. „Auf der Toilette,“ sagt der Opernsänger vorschnell, und bekommt gleich von der Polin eins gewatscht.
„Wie fühlt ihr die Nacht?“, fragt die Angolanerin. Ich habe sie noch nie lachen sehen.
„Wie fühlt ihr euch nachts?“ frage ich korrigierend. Und die Frauen erzählen von ihren gefühlten Nächten.
Heute Morgen haben wir ein lustiges Spiel gemacht:
Alle haben der Reihe nach einen Buchstaben vom Alphabet bekommen und für sich ein auffallend schönes Wort im Wörterbuch gesucht. B wie Blitz, C wie Charme (Kubanerin), E wie Euter (Koreanerin), G wie Geschwindigkeitsbegrenzung (der Opernsänger schrieb das Wort mit quietschender Kreide quer über die Wandtafel, alle hielten sich die Ohren zu mit verzerrten Gesichtern, und er gluckste und lachte hysterisch vor Freude), H wie Haft (Angolanerin). Morgen geht es mit J weiter.