Roman und Myrrzha sind das hübscheste, junge Pärchen das ich kenne. Sie sehen aus und kleiden sich wie Elfen, die einen Mad Max Krieg überlebt haben. Es ist schön, sie zu besuchen und ihnen zuzuschauen, wie sie langgliedrig und fein mit den Lichtstrahlen des Tages spielen. Sie verstehen sich wie niemand sonst darauf, mit mir in vollständig sorgloser Offenheit über all unsere Intimitäten und Wünsche zu sprechen. Ihre Tochter Helena ist eine hüpfende Sonnenblume, die sich abends vor dem Einschlafen überlegt, ob alle Nachbarskinder im Verlauf des Tages auch sicher einen Kuchen geschenkt bekommen haben. Helena ist dieses rotbäckige Goldlöckchen, von dem Eltern mit Verstand träumen.
Doch wenn Roman und Myrrzha unter sich sind, streiten sie ständig. Das bedeutet nicht nur keifendes Geschrei, sondern auch Mobiliar, das aus dem Fenster ihres Häuschens fliegt. Dieses Häuschen, das in einem Apfelgarten auf dem Land steht und total verdreckt ist. Es lässt sich nur über eine Düne aus Sand, Kinderspielzeug und einzelnen, herumliegenden Schuhen betreten. Der Vermieter droht immer wieder mit fristloser Kündigung. Besonders letztens als Roman den Lindenbaum im Garten umsägte, um daraus ein Geisterkanu für Helena zu schnitzen. Lindenholz eignet sich hervorragend zum Schnitzen, erwiderte Roman verständnislos. Im Flur haust Ruka, ein abgeschlagener Hund, der ihnen auf einer der frühen Traumreisen in den Süden zugelaufen ist. Ruka fletscht bei jedem Besucher die Zähne wie ein Höllenhund. Es ist eigentlich nur Zufall, dass noch niemand gebissen wurde. Auch wenn sie mich sieht, stellt sie sich mit gesträubten Nackenhaaren in den Eingang, obwohl sie mich seit Jahren kennt. Zum Glück ist sie aber meistens am streunen. Gekocht werden in diesem Haus prinzipiell nur Nudeln oder Reis mit Fertigsauce. Denn entweder ist Myrrhza zu müde und verzagt oder Roman kommt zu spät vor der Arbeit nach Hause, um einkaufen zu gehen. Sie hätten gern mehr Sex miteinander, aber weil das mit dem Berühren für Elfen immer etwas schwierig ist, lassen sie es bleiben. Meistens sind sie unsterblich in jemanden aus der Nachbarschaft verliebt. Ganz selten küssen sie. Mehr auf keinen Fall. Beide wissen von diesen Küssen und sie wären das Letzte, worüber sie sich ereifern würden.
Vor einem Jahr sind sie zu ihrem grossen Erstaunen von ihrem eigenen hechelnden Stöhnen erwacht und Roman ist auch gekommen. Letztens geschah das wieder. Nun ist Myrrzha schwanger. Ja so sind sie, die ungeborenen Seelen, sie suchen sich den Ort wo die Gischt der Wellen hoch schäumt. Weil manchen gelingt es nur dort, die Erde zu betreten.
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