30.07.07

Fatale Ungeduld

Beim kleinsten Anflug von Besserung fordere ich meine Konstitution heraus, als wäre die Rekonvaleszenz ein Kampf. Ich schlage zu, boxe, trete wild um mich ohne mich an Regeln zu halten. Sieg, rufe ich, hurra ich bin gesund! Und noch während ich die Arme jubelnd in die Höhe strecke, völlig Blind vor Selbstsicherheit, kommt mit voller Wucht der Gegenschlag. Es haut mich um direkt ins Bett zurück. Reflexartig ziehe ich die Decke über die Ohren, verkrieche mich wieder und komme langsam zur Räson.

26.07.07

Warten und Tee trinken

Wenn ich gesund bin kaufe ich ein schnurgebundenes Telefon, mit einer Schnur bis an mein Bett. Und einen Staubsauger, der seinem Namen alle Ehre macht. Ich kaufe eine Schublade voll DVDs für harte Zeiten. Wenn ich gesund bin gehe ich jeden Tag in die Aare schwimmen und kreische vor Freude, wenn ich ins kalte Wasser springe. Ich gehe jeden Abend aus und verbringe die milden Sommernächte nur noch tanzend und lachend und küssend. Ich gehe nie mehr ins Bett. Ich habe das Liegen so satt.
Ausser zum Telefonieren vielleicht.

25.07.07

Geniestreiche

Zaubermeister, die Wortbrocken in Reagenzgläsern über die Bunsenbrenner halten bis sie überschäumen und explodieren.

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Das machen übrigens Schafe auch. Sie transzendieren leicht. Sie sind von Natur aus mit Leichtgeistigkeit gesegnet und müssen sich nicht erst erkälten wie ich, um das Gehirn abzuschalten. Bei strömendem Regen harrt eine Schafherde aus mit gesenkten Köpfen und hängenden, tropfenden Ohren, halbgeschlossenen Augen und weggetretenen Blicken. Sie klinken sich einfach aus, verlassen ihren nassen, dampfenden Wollleib und begeben sich auf Reisen. Sie ziehen zweifelsohne über eine endlose sattgrüne Hochebene und strecken wiederkäuend und zufrieden die Köpfe in die wärmende Sonne.
Wenn der Regen nachlässt kehren sie zurück in ihr Schicksal, schütteln sich einmal kräftig durch und beissen seufzend ins nasse Gras.

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Wenn ich krank bin schaltet mein Verstand ab. Ich liege und harre aus. Irgendwann erreiche ich so eine Leere, dass ich mühelos und leicht wie nie in andere Welten transzendiere. Ich lasse mich von der Imagination davontragen wie auf einem fliegenden Teppich und lande in fernen, ungeahnten Ebenen zwischen Traum, Erinnerung, Halluzination und Phantasie.
Ich liebe diese Vermischungen der Ebenen, diese rauschhaften Wahrnehmungen und die überraschenden Verwandlungen meines Körpers.

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Geträumt, ich hätte einen Bikini aus goldener Muschelseide.

Bettnotizen

Geträumt: Über die Dunkelheit legt sich ein feiner, goldener Staub.

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Dieser Ton in meinem Ohr: Es muss höher als ein A und tiefer als ein E sein. Hätte ich doch eine Stimmgabel.

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Stimmgabel - Durchmesser - Rotzlöffel

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Denken geht gar nicht. Denken ist wie über ein Minenfeld gehen. Kaum bewege ich mich, explodiert es in meinem Kopf.

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23.07.07

Tiergeschütze

Sie haben etwas Rührendes, diese eifrigen, Honigmilch getränkten Tierfreunde, die auf der Strasse Geld sammeln um ihr Gewissen zu beruhigen. Andererseits ist ihre Überheblichkeit, auf der richtigen Seite zu stehen ohne je auch nur irgendwas gewagt zu haben beinahe unerträglich. Ihr Mitleid mit Tieren sprüht nur so von Selbstmitleid. Dieses Tiergeschütze wirkt wie am Schreibtisch der Denunzianten und Kontrolleure entworfen für die Verwirrten unter den Zukurzgekommenen.
Letztendlich ist es eine ziemlich unclevere Art, die Verantwortung für die Zerstörungskraft der Gesellschaft in der die Tierschützer vor sich hin leben, abzugeben.
Tierfreunde wollen Tiere vor den Menschen retten. Sie wollen Tiere haben. Und keiner fragt die Tiere, ob sie es mit den Menschen aushalten. Keiner kommt auf die Idee, dass sie vielleicht die Schnauze voll haben und lieber aussterben. Tierfreunde wollen helfen.
Wir Menschen können den Tieren nur helfen, wenn wir uns von ihnen retten lassen. Dann haben wir auch eine tiergerechte Haltung gefunden.

21.07.07

Malaise passager

Heute den ganzen Tag im Bett verbracht, bin schon wieder erkältet verflucht noch mal. Früher war ich nie krank. Diese Sesshaftigkeit macht mich anfällig! Auf alles!
Krank. Der Tag streicht einfach so an mir vorbei und ich frage mich am Abend, warum ich überhaupt noch weiterlebe. Dann höre ich meine Mitbewohnerin in der Küche mit Pfannen scheppern und leise dringt Musik zu mir, halb Traum halb Schlaf, beruhigend. Sie fragt, ob ich essen mag und ich mag. Sehr.
Essen ist eine einfache und wirksame Überlebensstrategie.

18.07.07

Die grosse Tschibo Tank Girl Schaufenster Attraktion

Fiona: Ein Panzer, stell dir vor, die Frau bezeichnete mich als Panzer!
Ich: Du hast sie angerempelt!
Fiona: Ich habe sie aus Versehen gestreift!
Ich: Tank girl!
Fiona: Ich brauche jetzt einen Kaffee. Warst du schon mal dort drin?
Ich: Tschibo? Da kriegst du mich sicher nicht rein! Zieh nicht so!
Verkäuferin: Mittwoch ist Tassentag.
Ich: Ach ja?
Verkäuferin: Tassentag bedeutet, dass der Kaffee nur 2.90 Franken kostet.
Fiona: Am Fenster ist noch Platz. Warum hat sie Panzer zu mir gesagt.
Ich: Dein Panzer ist aus Glück, Humor und Schönheit. Was willst du mehr!
Fiona: Alle Passanten draussen schauen uns an.
Ich: Wir sitzen im Schaufenster.
Fiona: Zum Glück bin ich ein Panzer.

17.07.07

Die Hitze

sie macht, dass ich, wenn ich nur an ihn denke gleichsofortjetzt schon wieder Lust habe.

Es ist Morgen (Teil3)

Was für ein umwerfender Prachtstag! schreibe ich auf einen Zettel. Ich verlasse das Haus in aller Herrgottsfrühe und hinterlasse meiner Mitbewohnerin immer eine kleine Mitteilung auf dem Küchentisch. Um die Worte herum zeichne ich eine Sprechblase. Ich mag Sprechblasen. Ich zeichne eine Comicfigur unter die Sprechblase.
Manchmal schreibe ich etwas Lyrisches. Aber früh morgens kann Lyrik noch unerträglicher sein als ein erzählter Traum. Ich stelle mir vor, wie sie die lyrisch-kryptischen Zeilen liest ohne irgendeinen Sinn darin zu finden und trotzdem lächelt. Aus milder Morgenstimmung heraus, oder weil sie mich mag.
Ich streiche umwerfend: Was für ein Prachtstag! Ist schon interessant, wie man irgendwann aufhört, Prachts- zwingend mit -Kerl zu verbinden, allenfalls noch mit -Schwanz. Im Alter kann einem schon die Morgensonne ein Seufzer des Entzückens entlocken. Woher kommt bloss diese Euphorie! Ich streiche Prachtstag. Ich streiche alles.
Ich schreibe: Könntest du bitte die Wäsche draussen aufhängen? Pfeil: Waschmaschine. Ich mag Pfeile. Zeichne noch ein paar Zierpfeile.
Zierpfeile, die ziemlich phallisch aussehen, fällt mir gerade auf.
Jetzt muss ich natürlich wieder an Prachtsschwänze denken.

15.07.07

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Heute hat der Drachenkopf zu blühen begonnen. Das erste Blütenköpfchen, das erstaunt in die Welt schaut. Wunderbar!

Bei schönem Wetter ist der Garten ein Paradies und ich habe solch ein Glück meine Nachmittage im Himmel zu verbringen!

10.07.07

con 24000 baci

Den ganzen Tag schon schiessen 24000 baci durch meinen Kopf. Wie Querschläger von Celentanos Stimme.
Seit ich Kusturicas „Erinnerst du dich an Dolly Bell?“ gesehen habe, wünsche ich mir wieder einen Truthahn.
Als Kind hatte ich einmal einen Truthahn. Immer wenn ich pfiff, gluckerte (gluckste?) er lauthals zurück. Er war imposant und versperrte mir den Weg zum Komposthaufen. Er konnte ziemlich heftig reklamieren. Ich fürchtete mich ein wenig vor ihm. Aber ich war auch fasziniert von seinem Hals und der eigenartigen Stimme, die aus diesem Geschwabbel hervorkullerte.
Diese frühe obsessive Faszination für das Unheimliche, Ekelhafte, Seltsame, Gefährliche und darum Schöne.

Jedenfalls ist der Text des Liedes ungefähr so:

Mit 24000 Küssen vergehen die Stunden glücklich, weil ich dich jede Sekunde küsse.
Keine wunderschönen Lügen, keine leidenschaftlichen Liebesschwüre sondern nur Küsse, die ich dir gebe je je je je je ...

08.07.07

Die Erinnerung der Topfpflanzen

Neulich sass ich in einem türkischen Restaurant und betrachtete die tropischen Topfpflanzen. Dabei erinnerte ich mich an die trostlosen Zimmerpflanzen auf all den Fensterbrettern weltweit. Die Idee, dass man eine Pflanze aus ihrer natürlichen Umgebung heraus reisst, um sie zu Dekorationszwecken bei sich aufzustellen, fand ich absurd.
Die Topfpflanzen hier im Restaurant kamen irgendwo aus dem Urwald, soviel war sicher. Da standen sie nun am Fenster in dieser düsteren Umgebung mit den Plastiktischen. Doch es schien ihnen hier an nichts zu fehlen. Pflanzen haben den Vorteil, dass sie ihre Wurzeln immer bei sich haben. Sie können im Grunde überall leben, wenn man ihnen ein bisschen Erde und Wasser gibt. Sie sind genauso entwurzelt wie ich selbst, deshalb mag ich sie.
Topfpflanzen werden sich in ihrem Wesen nie gross ändern. Eine Palme bleibt immer eine Palme auch wenn man mit ihr in einem Vorort von Reijkjavik lebt. Zunächst denkt man, dass die Funktion der Zimmerpflanzen es ist, in der Ecke oder am Fenster zu stehen und den Raum zu begrünen. Doch dann bemerkt man, dass dies nur vordergründig so ist.
Zimmerpflanzen sind nämlich Diplomaten. Und wie alle diplomatischen Vertreter halten sie sich bedeckt. Hauptsächlich leben sie vom repräsentieren. Meist stehen sie nur da und erinnern sich: An die Düfte und Geräusche ihrer Heimat, an die Erlebnisse ihrer Ahnen. Topfpflanzen sind immer alt, auch wenn sie noch ganz klein sind. Und weil sie alt sind, halten sie gerne ab und zu ein Schwätzchen. Deshalb ist es natürlich gut, wenn sie Pflanzen antreffen, die aus derselben Region stammen wie sie selbst. Dann erzählen sie einander Geschichten vom Urwald und den Giftpfeilkröten, die zwischen ihren Wurzeln umher hüpften und dem warmen Regen, der über sie hinweg fegte. Sie erzählen von den Schreien der Papageien, die sie gehört haben in mondhellen Nächten. Dann schauen sie sich um und sagen:
Hier bin ich, das ist gut, ich habe alles dabei und was ich weiss genügt.

06.07.07

Romantische Momente

Wenn ich jetzt ein Handy hätte, würde ich auf eine Mitteilung warten und nicht auf ihn, denke ich beim Warten.

04.07.07

Depeschieren Sie bitte!

Den Satz geträumt: Ich möchte am liebsten mein Herz depeschieren.
Keine Ahnung wie dieses altmodische Wort in mein Traumrepertoire gelang.
Überhaupt: Absurde Herzträume in letzter Zeit.

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porös-pornös

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Sage ohne es zu merken trächtig anstatt schwanger. Deformation professionelle.

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Mit meinen Freundinnen in der ‚Turnhalle’, gleich anschliessend an Kunst über Mittag, heute ein
Auberginen-Peperoni-Olivenpaste-Focaccia
vom Kellner empfohlen bekommen,
und die Art, wie er Auberginen sagte, weich, fast zärtlich, und sich die Zeit nahm beim i zu lächeln. Er weiss genau, wie er auf uns wirkt. Aber er ist noch zu jung um zu realisieren, wie sehr wir es geniessen.

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Depeschieren, weil es regnet.

03.07.07

Mein erster Rollkoffer

Es macht ja nur Sinn sich Tabus aufzuerlegen, wenn man sie eines Tages wieder bricht.
Der Rollkoffer ist ein gutes Beispiel dafür.

Einen Koffer auf lächerlichen Rädern hinter sich her zu ziehen ist erst einmal irritierend.
Tabubrüche sind irritierend.
Aber sie führen in den Genuss einer neuen Selbstwahrnehmung.
Die Reisetasche hängte ich mir als Zeichen schwer wiegender Unbeschwertheit lässig um die Schultern. Ich trug stets mit sturer Eitelkeit jugendliche Bedürfnislosigkeit und Flexibilität mit mir herum.
Den Rollkoffer ziehe ich unbeschwert und genauso lässig hinter mir her. Ich trage kein Gewicht mehr sondern hohe Schuhe, wenn mir danach ist. Ich packe alles ein, was nur geht: Schätze, Mitbringsel, Bücher, unterwegs Gefundenes. Und die Männer heben mir auch noch dankbar lächelnd meinen prallgeschwollenen, tonnenschweren Koffer in den Zug.
Rollkoffer sind klasse.
Mit freundlicher Bewilligung des Ministeriums für bedrohte nomadische Bewegungen.
Yes.