12.01.09

Unterwegs 4

Und ich erinnere mich. Erinnere mich an die Zeit, als ich mit einer Schafherde unterwegs war, Winter für Winter. Es war eine Winterwanderung wie jetzt. Aber ich ging im Rhythmus der Tiere. Sie wollten bleiben und fressen. Und wenn die Weiden abgegrast waren, zogen wir weiter.
Seit ich sesshaft bin, reise ich. Ich reise, weil ich die Menschen und Gegenden sehen will, über die ich gelesen habe, von denen ich gehört habe, von denen ich geträumt habe. Ich war als Schäferin all die Jahre unbeweglich und träumte die Welt. Ich war immer bei der Herde. Der Rhythmus der Tiere war die eigentliche Bewegung.
Nomaden reisen nicht, sagt Gilles Deleuse (L'Abécédaire V comme voyage). Nomaden wollen auf ihrem Boden bleiben. Sie klammern sich an ihren Boden. Nichts ist unbeweglicher als ein Nomade, sagt er. Nichts reist weniger als ein Nomade. Sie sind Nomaden, weil sie nicht verlassen wollen. Ihr Boden verwüstet, weil sie sich daran festbeissen.
Deleuse fügt an, dass Leute reisen um ihren Vater zu finden.
(Das ist vermutlich der Beweggrund der meisten Globetrotter, die ich kenne. Sie reisen immer wieder.)
Die Frage ist, ob ein Leben ausreicht um das zu finden, wonach man sein ganzes Leben sucht.

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