10.01.09

Unterwegs 2

Ich habe Glück. Es ist Winter und die Pilgerer sind nicht unterwegs. Die Herbergen sind leer. Seit drei Wochen habe ich unterwegs keine einzige Menschenseele angetroffen. Das ist enormes Glück. Und Gehen ist insgesamt gut für das Leben. Es bringt neue Ideen. Fokussiert. Ich kann es allen empfehlen mindestens 600 km am Stück zu gehen.
Es ist wichtig, dass Menschen Dinge erfahren.
"Erfahrung ist wertvoller als Einsicht" lese ich zufällig gerade hier in einer französischen Zeitschrift. Habe keine Bücher dabei und lese alles, was mir in die Hände kommt. Ein Essay von Gaétan Picon über Balthus. Gaétan, dieser Name... Erfahrungen sind wertvoll. Oder wie Coelho wahrscheinlich sagen würde: Man muss selber im Regen stehen um zu erfahren wie es ist, nass zu sein.
Der Vorteil des Pilgerweges ist, dass man alle zwanzig oder dreissig Kilometer auf eine Herberge trifft, die in dieser Jahreszeit zwar geschlossen ist, aber dann doch ein Bett bereithält. Der Nachteil ist, dass man die alten, einsamen und liebesbedürftigen Herbergsmütter, oder noch schlimmer, unglückliche Paare, die sich auf dem Pilgerweg getroffen und zusammen Pilgerherbergen eröffnet haben, und noch immer im Regen stehen und nur so triefen vor Lösungen, mit müden Ausreden abwimmeln muss.
Aber man kann auch der einzige Gast in Hotels wie diesem hier sein und mit der Besitzerin, einer kleinen, distinguierten alten Dame einen Armagnac trinken.

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