11.12.05

Charmante Kompagnie

Tanja hat nun einen neuen Freund.
Gestern Abend hat sie ihn mir vorgestellt.
Kurt, ein lieber, lieber, lieber Kerl, sagt sie.
Das ist er auch. Er hilft ihr in den Mantel und zündet jede Zigarette an.
Er umschlingt sie beim Tanzen von hinten und faltet seine Hände über ihrem Bauch.
Er steht auch an der Bar gern hinter ihr, kuschelt sein Gesicht an ihre Wange und tuschelt zärtlich in ihr Ohr.
Er hält ihr jede Tür auf.
Er wärmt reibend ihre kalten Hände in den seinen.
Er streicht ihr beim Reden mit der Hand über den Rücken.
Ich frage mich, wie das für mich wäre, wenn mir ein Mann den Rücken streichelt während er redet.
Der Gedanke lässt mich schaudern, aber ich komme nicht dahinter, warum.


Ich habe den Rest der Nacht mit Andrej verbracht.
Andrej tauchte plötzlich auf, und ich war froh, dass er das in dem Moment tat, als Kurt Tanja küsste.
Er begleitete mich von einer Bar zur nächsten und ich fand seine Anwesenheit sehr charmant.
„Ich wohne gleich hier um die Ecke“ sagte er. „Du kannst bei mir schlafen, wenn du willst.“
Natürlich wollte ich. Was gibt es angenehmeres, als ein Mann, der mir nach einer langen Nacht auch im Bett noch Kompagnie leisten will.
„Ich bin zu müde und zu betrunken um noch Sex mit dir zu haben“ sagte ich ihm.
„Ich auch“ schmunzelte er.

Ihr denkt jetzt:
Das geht sowieso nicht. Man will keinen Sex, ist aber so geil aufeinander wie nie, liegt brav aneinander geschmiegt, will nicht, aber das Herz rast, man will irgendwie doch. Wie soll man schlafen, wenn die Hand auf dem Busen liegt, der Ständer nicht nachlässt.
Man pulsiert ein paar Stunden so schlaflos und geil nebeneinander bis man aus irgendeinem Impuls heraus heftig übereinander herfällt, und sich dann doch mit einem kurzen und erlösenden Fick endlich den ersehnten Schlaf ermöglicht. Dabei wollte man gar nicht. Wir alle wissen, wie man sich danach fühlt.

Aber es geht doch.
Möglicherweise ist das eine Alterserscheinung, aber der Genuss von charmanter Kompagnie im Bett, die sich gut und warm und irgendwie vertraut anfühlt war tatsächlich alles was ich wollte. Selbst Herzklopfen und Ständer (und irgendwie war ich Andrej dankbar, dass er einen hatte) und feuchte Möse und das Ganze Drum und Dran wurde zu einem so vertrauten und lieb gewonnenen Gefühl, dass es beruhigend und einschläfernd wirkte.
Mein letzter Gedanken vor dem Einschlafen war: Genau so ist es gut.

1 Kommentar:

  1. Ja, die netten Männer. "Passiv agressiv" ist der Ausdruck, den Woody Allen dafür benützt.

    Er wird sie anlächeln. Und dann wird er sie absorbieren. Bis nur noch eine Wasserlache übrig ist.

    Daher das Schaudern, vermutlich. ;-)

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