03.12.05

Zuhälterisieren Sie bitte nicht!

Gestern Abend hat meine Mitbewohnerin, die junge, blonde Technikerstudentin, einen Journalisten der Berner Zeitung zum Abendessen eingeladen. Sie wollte mich verkuppeln.
Ich bin aber nicht darauf reingefallen.
Der Typ war aber auch so was von originell und unausstehlich. Er konnte zum Beispiel perfekt Tunten nachmachen, und ich merkte, dass er sich gewöhnt war damit die Leute zum Lachen zu bringen. Er konnte auch perfekt Zürcher Zuhälter nachmachen, was garantiert ein Brüller war bei jungen Mädchen.
Ich fand es darum nicht komisch, weil er im Grunde gerne so cool wie ein Zürcher Zuhälter wäre, auch so hart und abgebrüht, aber er ist – wie die meisten wortgewandten und ach so kreativen Männer – ein inneres Sensibelchen.
Nun ja, ich mag innere Sensibelchen.
Aber ich mochte ihn nicht, weil er blondiert war und eine Kunstblume als Gastgeschenk mitbrachte. Und weil er sicher zehn wenn nicht zwanzig Mal das grässliche Wort „Kult“ sagte.
Ich zog mich also in mein Zimmer zurück und las meinen Murakami zu Ende.
Heute Morgen liegt eine BZ auf dem Küchentisch, zufällig liegen geblieben oder vergessen, damit mein Blick auf seinen Artikel fällt, den er in seinem bewährten zürcher-zuhälterischen Stil geschrieben hatte. Und ich stelle mir vor, wie er sich vorstellte, dass ich beim Lesen des Artikels bestimmt vor Bewunderung tief seufzen würde.

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