16.01.11

Die Aussicht auf das nächtliche Istanbul

Da war dieser Ladenhüter, der auf die Strasse gesprungen kam und mich fragte, ob ich einen Tee wollte. Drinnen sei es warm und er würde sich gerne mit mir unterhalten. Ich zögerte. Es war schon spät. Der Laden war in einer dunklen Seitengasse. Einfach nur so. Seine Augen leuchteten dezent, wie diese bunten Glaslämpchen im Bazar, die nur schön sind, wenn sie leuchten. Dieses romantische, warme Licht aus tausend und einer Nacht möchten die Touristen mit nach Hause nehmen. Sie kaufen es und sehen erst beim Auspacken, wie nichts sagend die Lämpchen sind.
Ich nahm die Einladung an. Mir war kalt und ich war traurig.
Der Laden war vollständig mit Kelims ausgekleidet und verkaufte Teppiche und Keramik. Ich fühlte mich wohl. Wir unterhielten uns und tranken Tee. Ein anderer Ladenhüter gesellte sich zu uns, dann noch einer. Sie fragten, warum ich traurig sei. Wir tranken Tee und sie scherzten, um mich aufzumuntern. Dann tauchte noch einer auf und noch einer. Ich realisierte langsam, dass ich von fünf Männern umgarnt war, die mich mit dezent leuchtenden Augen ansahen.
"Wir könnten auf der Dachterrasse noch etwas trinken", schlugen sie vor, "eine kleine Party feiern". "Have some fun", sagten sie. Die Aussicht auf die nächtliche Stadt sei wundervoll.
Ich verstand.
In Fantasien glücklicher Tage hätte es die Aussicht auf die Nacht meines Lebens sein können. Fun mit fünf Ladenhütern. Aber ich war traurig.
"Warum nicht", wollten sie wissen.
Es war immer das gleiche. Ich war für die Männer eine europäische Touristin. Die Frage war nicht, ob ich will, sondern - warum nicht?
"Du bist verspannt", sagten sie. "Entspann dich. Wir sind genau, was du brauchst".
Ich bedankte mich für den Tee und ging.
Auf der Strasse fiel mir ein, dass ich zu traurig war um der Lust eine Chance zu geben. Und zu traurig um Angst zu haben. Vermutlich war es Glück, dass sie mich gehen liessen.

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