01.12.06

Dekonstruieren Sie sich bitte! Teil 2

Der alte Mann vor mir im Tram, der ein paar wenige dünne Haarsträhnen quer über die Glatze gelegt hat. Wie er jeden Morgen in den Spiegel schaut und die langen Haare von der linken Seite rüberkämmt. Birkenwasser darüberträufelt. Noch einmal glatt streicht. Die zurecht gelegte Gewissheit, dass noch Haare auf dem Kopf sind. Auch er hält einen Mythos aufrecht. Vielleicht sieht er jeden Morgen einen jungen Casanova im Spiegel. Ich mag ihn irgendwie. Möchte ihn so gerne sehen, wenn seine Haare einseitig runterhangen.
Es erinnert mich an den befreundeten Postangestellten, der seine blonden Haare hinten zusammenband, aber seinen grauen Wollpullover, seine Bügelfaltenhosen und das Beamtenjackett einfach übersah, als er den Pirat, für den er sich hielt, im Spiegel sah. Ich dachte zuerst, er wolle den Kreativen darstellen, mit seinem Haarschwänzchen, oder den Esoteriker. Aber nein. Pirat.
Mythen sind wie ein Lebens-Make up. Sie verhindern, dass man sich ungeschminkt betrachtet und den grauen Merinopullover sieht.

2 Kommentare:

  1. sieht nicht sehr vorteilhaft aus, minka jonka. ich hatte einen lehrer mal, der so birkenwasser benutzte, und morgens seine verbliebenen haare sorgfältig rüberlegte, bevor er zur klasse erschien. er ereiferte sich doch regelmässig und am ende der lektion sah er dann aus wie ein einseitiger hippie.
    lieber kurz geschoren, schwor ich mir damals, und überhaupt haare werden, wie so vieles, überbewertet.

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  2. Sieht doch irgendwie lächerlich aus. Erinnerungen an vergangene Zeiten. Solche Leute könnten sich doch glatt einbalsamieren.

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