14.09.10

Auf Granit stossen

Am Montag gibt’s keine Schafmilch zu kaufen. Überlege kurz, ob ich Ziegenmilch nehmen soll, aber bei der Ziegenmilch ist das Kühlregal auch leer.
Montag. Immer montags. Ich will mir so etwas nicht merken.
Muss mir so viel merken immer.
Habe mir das Geburtsdatum von Nic gemerkt, weil ich mit ihrer Benützerkarte in der Schulwarte meine alten Computerdisketten durchsehen und nach Fotos absuchen will. In der Schulwarte gibt es noch Kassettengeräte und Diskettenleser. Man kann auch alte Videokassetten auf DVD brennen.
Nic weiss immer, wo man was machen kann. Manchmal rufe ich sie an und frage: Wo kann man im Emmental schön wandern? Oder wo kann man eine Granitplatte zuschneiden lassen? Ich will nämlich eine Arbeitsfläche aus schwarzem Granit in meiner Küche. Sie weiss solche Sachen einfach. Sie ist meine grosse Freundin.
Gestern hatten wir unseren ersten Streit. Sie mag es nicht, wenn ich Menschen auf Fotos beschreibe. Und das ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.
Sie hatte mir aus einer Partneranzeige ein Bild von einem Mann gezeigt, der was für mich sein könnte. "Er sieht auf den ersten Blick aus wie ein Pfadfinder", sagte ich. "Voller guter Absichten. Einer, der offen ist im Sinn von: Alles kann, nichts muss."
Nic verdrehte die Augen.
"Er hat etwas sinnliches", fügte ich hinzu, als ich seinen Mund betrachtete, "aber er ist unsicher. Unsicher in Gruppen, oder wenn er öffentlich auftreten muss. Eine Mischung aus Unsicherheit und Faszination auch älteren, selbstbewussten Frauen gegenüber".
"Also nichts für dich, willst du sagen," seufzte Nic.
"Ja,  er wirkt etwas verklemmt."
"Du hast doch keine Ahnung, was für ein Mensch er wirklich ist," sagte sie.
"Doch, das habe ich," sagte ich.
"Wie kannst du behaupten, dass er unsicher ist? Vielleicht hatte er einen schlechten Tag, als das Foto gemacht wurde. Er sähe sicher nicht verklemmt aus, wenn er entspannt am Strand läge."
"Doch, das täte er," sagte ich. "Ich könnte dir sogar sagen, was seine sexuellen Vorlieben sind."
"Das will ich lieber nicht wissen," sagte sie.
"Was ist er denn von Beruf?", fragte ich.
"Er ist Erwachsenenbildner."
"Na, siehst du, ich wusste es doch."

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