Meine Nachbarin kocht mir drei Mal am Tag etwas zu essen. Sie ist Iranerin und vor vier Monaten mit ihrem Mann, einem Tierarzt, in die Schweiz gekommen. Er arbeitet an einem Forschungsprojekt an der Uni und sie lernt Deutsch.
Sie klopft an die Tür, wartet zwanzig Sekunden, egal ob ich 'herein' oder 'jaja' oder schlafe und nichts rufe, dann klopft sie noch einmal und tritt vorsichtig ein. Sie legt das Silbertablett mit dem warmen Essen auf den Küchentisch und zieht ihr Kopftuch ab. Dann kommt sie ins Schlafzimmer, räumt meinen Müll weg, die Taschentücher und Orangenschalen und Dattelkerne, und stellt das Tablett ans Bett. Ich beschwere mich, sie soll nicht aufräumen, aber sie sieht mich nur mit einem Blick an, der sagt: Ich weiss. Sie fragt immer, was ich zu Essen wünsche, und ich versichere ihr, dass ich nichts brauche. Ich habe den Kühlschrank voller Suppen. Meine Freundinnen haben mir auch diesmal Suppen und Einkaufstüten voller Überlebenslebensmittel für Grippeopfer auf die Türschwelle gelegt. Sie faltet die Hände vor ihrem Schoss und lächelt.
Gestern Abend kochte sie mir eine Gemüsesuppe, weil ich Gemüsesuppe wünschte. Es war eine vorzügliche Fleischsuppe mit vielen frischen Kräutern, Koriander, Petersilie und Pfefferminze. Heute gab es eine Linsensuppe. Eine traditionell zubereitete iranische Linsensuppe. Die beste Linsensuppe meines Lebens. Es war so köstlich, dass mir die Tränen kamen.
Sie wartet immer, bis ich einen Löffel probiert habe und sieht mich dabei lächelnd an. Dann zieht sie sich rückwärts zurück, geht freundlich nickend rückwärts aus dem Zimmer und vollständig rückwärts zur Wohnungstür raus.
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