Abends unterrichte ich eine Klasse mit elf Männern und zwei Frauen. Die Frauen kommen aus Kolumbien und kleben ständig zusammen wie ein Doppelpack. Die Männer kommen aus Libanon, Haiti, Kurdistan, England, Pakistan, Algerien, Ecuador. Es ist eine spürbar männliche Energie im Raum. Ich merke das, weil ich als Lehrerin sofort strenger, distanzierter und sachlicher werde. Sie produzieren am laufenden Band Anspielungen, aber eher zufällig und ohne die Bedeutungen zu kennen. Sie kreieren Zweideutigkeiten, die sie noch gar nicht verstehen. Ich weiss, dass sie mir auf den Hintern schauen, wenn ich an die Wandtafel schreibe. Aber sie tun es aus Gewohnheit und nicht aus Absicht. Sie wagen es nicht, mit mir zu flirten, und doch tun sie es mit ihrer Körperlichkeit, ihrem Geruch und männlichen Gesten.
Zum Beispiel der Rumäne: Er trägt immer helle Hemden auf nackter Haut. Er zeigt gerne seine Brusthaare und lässt unverschämt viele Knöpfe offen. Manchmal packt ihn die Kolumbianerin vorne am Hemd und sagt: „Mach das zu, Mann, das ist ja nicht auszuhalten.“ Doch er lässt es offen.
Der Rumäne ist in Kanada aufgewachsen und sah mit seinen langen Haaren, dem karierten Hemd, den Koteletten und spitzen Cowboyschuhen wie ein kanadischer Holzfäller aus, als er vor einem Jahr in die Schweiz kam. Inzwischen sieht er wie Brad Pitt aus. Kurze Haare, angedeutete Haartolle, feines Goldkettelchen, blaue Augen, Verführerlächeln.
„Mach dein Hemd zu,“ sage ich ihm, als er mir sein Heft zum Korrigieren hinlegt und seine Brusthaare präsentiert. Er geht schweigend an seinen Platz zurück, setzt sich, sieht mir in die Augen und knöpft langsam sein Hemd zu.
Wie soll ich mich da konzentrieren.
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