25.07.06

Der Berner Sommer

Der Berner Sommer ist klasse. Obwohl ich arbeite, habe ich das Gefühl in den Ferien zu sein. Ich arbeite vormittags, dann gehe ich an die Aare. Die Aare ist ein Fluss, der sich durch Bern schlängelt. Alle Berner gehen im Sommer zum Fluss. Sie ziehen sich am Ufer aus und schlüpfen rasch in die Badehose. Sie machen das ohne Umstände. Ich frage mich, wie die das können. Ich muss das unauffällige Ausziehen noch üben: T-Shirt aus - Bikinioberteil an, das geht fix. Aber kaum habe ich die Hosen ausgezogen, werde ich nervös. Ich setze mich hin, presse die Beine zusammen, damit keiner dazwischen sehen kann. Mit zusammen gepressten Beinen rutscht der Slip aber schlecht. Ganz ruhig bleiben, rede ich mir zu, niemand schaut dir zu, es interessierst sich keine Sau für deinen Arsch. Ich ziehe sitzend meine Badehose bis zu den Knien hoch. Mist! Falschrum. Wie lange sitze ich jetzt schon nacktarschig da? Noch einmal ausziehen, andersrum anziehen. Geschafft!
Ich lege meine Sachen auf den Boden und decke sie mit einem Badetuch zu. Überall liegen Badetücher rum, die Kleiderhaufen zudecken. Die Leute laufen der Aare entlang ein Stück Stadtauswärts und schwimmen lachend und kreischend in die Stadt zurück. Einige fahren mit dem Tram aus der Stadt raus, packen ihre Kleider in Abfallsäcke, verschliessen die Säcke gut, binden sie mit einem Seil um den Bauch und schwimmen so ein grösseres Stück im Fluss in die Stadt zurück. Es gibt auch welche, die in Badehosen Tram fahren... im Sommer ist das normal hier. Man trifft alle Berner in Badehosen an.

Viele Leute springen auch von den Brücken obwohl es verboten ist. Verboten ist es, weil man dabei aus Versehen auf Schwimmende springen könnte. Aber das wissen alle und darum passen alle gut auf. Die Springer warten, bis der Fluss frei ist. Manchmal dauert das einige Minuten. An Sonntagen ziehen ununterbrochen hunderte von Köpfen auf der Wasseroberfläche vorbei. Der Fluss ist dann wie ein langer Teppich aus Köpfen. Die Leute auf der Brücke schauen alle und geben unaufgefordert ein Zeichen, wenn der Fluss frei ist. „Isch guet“ rufen sie. Sie wollen schliesslich das kleine Springspektakel sehen. Springen ist fantastisch. Ich bin auch gesprungen von etwa 10 Metern Höhe. Das Wasser ist warm: 21°.

Ich treffe an der Aare immer viele Bekannte. Wir gehen ein Stück gemeinsam Flussaufwärts und plaudern. Alle reden miteinander, auch die, die sich nicht kennen, weil alle gemeinsam auf dem Uferweg gehen und man sich dabei so gut unterhalten kann. Dann gehen die einen ins Wasser, die anderen spazieren noch ein Stück weiter. Später trifft man sich wieder und redet weiter.
Die Freibäder in Bern sind gratis. Das ist das schöne an Bern. Ich gehe immer ins Marzili direkt an der Aare. Im Marzilibad gibt es eine gut abgeschirmte Zone nur für Frauen. Dort sind alle Frauen nackt. Die Zone heisst Paradiesli. Ich gehe ins Paradiesli um mich auszuruhen, wenn ich genug vom Laufen und Schwimmen habe. Manch einer wüsste gerne, was sich im Paradiesli abspielt. Von den Frauen, die dort waren, erfährt man aber nichts. Es ist ein Geheimnis, welches erhitzte Köpfe mit Lesben- oder Haremshalluzinationen zu lüften versuchen.
Von mir werden Sie auch nichts erfahren. Halluzinationen sind ein guter Zeitvertreib in der brütenden Hitze.

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