31.12.05

Kleine Feigheiten

Wie ist das für einen Mann, der gerade dabei ist sich in mich zu verlieben, wenn ich ihm sage: „Verlieb dich bloss nicht in mich!“

Und das, nachdem wir zwei Stunden lang über alles geredet haben, nur nicht über die Wirklichkeit, die nämlich ist: Du interessierst mich nicht, ich will dich gar nicht kennen lernen, du bist mir zu schmierig, zu dumpf, du langweilst mich, du langweilst mich so sehr, dass ich den jungen Kerl am Nachbartisch beobachte, wie er beim sprechen schmunzelt und ich mir vorstelle, wie er auch beim vögeln spricht... Das wollte ich eigentlich sagen. Darum sassen wir in dieser Lounge Bar und tranken Prosecco auf dunkelblauen Ledersofas. Um das zu klären. Aber wir redeten über alles andere.
Was man so redet, wenn dem einen lieblich ums Herz ist und der andere den richtigen Moment abwartet, um das heiss pochende Herz zu durchstechen. Über Musik und Schlangenlederriemchensandaletten, Prager Nächte und Japanische Sake Becher, in denen kleine nackte Frauenbilder erscheinen, wenn sie mit Sake gefüllt sind, und Starka, dieser in Eichenfässer gelagerte Wodka, den ich schon seit Ewigkeiten suche. So liebliche Sachen. Ich sprach die ganze Zeit. Er war nur wortlos. Und verliebte sich.
Und dann im Auto, weil der richtige Moment eh nie kam, kurz vor dem Bahnhof also: „Verlieb dich bloss nicht in mich!“

„Klar. Abgemacht!“ sagte er gefasst und kriegte den zweiten Gang nicht rein. Dann schwieg er und verschaltete sich noch dreimal bis zum Bahnhof.

Ich stieg mit einem beschissenen Gefühl aus. Was hätte ich sagen sollen? Wie sagt man einem Mann, dass man nichts von ihm will? Weil er zu schmierig ist.

Wahrscheinlich stellt sich jetzt jeder etwas anderes unter einem schmierigen Kerl vor. Also ich meine nicht Schleimer.
Ich beschreibe am besten, was ich meine:
Ein schmieriger Kerl trägt ein lilafarbenes Hemd oder noch schlimmer, ein violettes. Eine schwarze Lederjacke. Er ist zu mager. Er ist blass wie eine gotische Elfe. Und sieht insgesamt kränklich aus. Er hüstelt. Er trägt eine violett gerahmte, rechteckige, schmale Brille. Er raucht Zigaretten mit weissen Filtern. Hält sie zwischen Zeige- und Ringfinger. Sein Blick ist gesenkt, wenn er spricht. Am Daumen steckt ein breiter Silberring. Er riecht nach Weihrauch. Er schwitzt ein wenig am Hals und an den Schläfen. Die kleinen Schweissperlchen erinnern mich an Krötensekret. Ich überlege immer noch, warum ich schmierig gesagt habe. Es ist mir so eingefallen.

Eismantel

21.12.05

Wünsche allen frohe Weihnachten mit allem Drum und Dran!

Verschneite, stumme Winterwelt

Rückzug in die Berge,
eingehüllt in Erinnerungen, wie dicke Felle, in die ich mich verkrieche.
Gedanken sind vielleicht manchmal zu wenig materiell. So was felliges um die Phantasie zu transportieren ist doch manchmal gut!

17.12.05

DaF

Die schönsten Fehler heute:

Ich bin verleibt.

Ich habe meinen Zug verloren.

16.12.05

Die Welt träumen

Besuch aus Berlin:
Er: „Es kommt mir so vor, als würden in der Schweiz nur Zombies und Wichser leben.“
Ich: „Du hast dich auch schon gewählter ausgedrückt, mein Lieber!“
Er: „Also, um es genau gewählt ausgedrückter zu sagen: Hier lebt eine Brut von Zombies und eine Horde von Wichsern.“
Ich: „Wichser gibt es überall.“
Er: „Aber nicht persönlichkeitslose, verwöhnte, ignorante Wichser.“
Ich: „Warum kommst du dann in die Schweiz?“
Er: „Wegen dir natürlich! Um mich bei dir auszuruhen, meinen Kopf auf deine Brust zu legen und zu träumen. Wie Gott Shiva, der auf einem hohen Berg seinen Kopf auf Parvatis Schoss legte und die Welt träumte.“

11.12.05

Charmante Kompagnie

Tanja hat nun einen neuen Freund.
Gestern Abend hat sie ihn mir vorgestellt.
Kurt, ein lieber, lieber, lieber Kerl, sagt sie.
Das ist er auch. Er hilft ihr in den Mantel und zündet jede Zigarette an.
Er umschlingt sie beim Tanzen von hinten und faltet seine Hände über ihrem Bauch.
Er steht auch an der Bar gern hinter ihr, kuschelt sein Gesicht an ihre Wange und tuschelt zärtlich in ihr Ohr.
Er hält ihr jede Tür auf.
Er wärmt reibend ihre kalten Hände in den seinen.
Er streicht ihr beim Reden mit der Hand über den Rücken.
Ich frage mich, wie das für mich wäre, wenn mir ein Mann den Rücken streichelt während er redet.
Der Gedanke lässt mich schaudern, aber ich komme nicht dahinter, warum.


Ich habe den Rest der Nacht mit Andrej verbracht.
Andrej tauchte plötzlich auf, und ich war froh, dass er das in dem Moment tat, als Kurt Tanja küsste.
Er begleitete mich von einer Bar zur nächsten und ich fand seine Anwesenheit sehr charmant.
„Ich wohne gleich hier um die Ecke“ sagte er. „Du kannst bei mir schlafen, wenn du willst.“
Natürlich wollte ich. Was gibt es angenehmeres, als ein Mann, der mir nach einer langen Nacht auch im Bett noch Kompagnie leisten will.
„Ich bin zu müde und zu betrunken um noch Sex mit dir zu haben“ sagte ich ihm.
„Ich auch“ schmunzelte er.

Ihr denkt jetzt:
Das geht sowieso nicht. Man will keinen Sex, ist aber so geil aufeinander wie nie, liegt brav aneinander geschmiegt, will nicht, aber das Herz rast, man will irgendwie doch. Wie soll man schlafen, wenn die Hand auf dem Busen liegt, der Ständer nicht nachlässt.
Man pulsiert ein paar Stunden so schlaflos und geil nebeneinander bis man aus irgendeinem Impuls heraus heftig übereinander herfällt, und sich dann doch mit einem kurzen und erlösenden Fick endlich den ersehnten Schlaf ermöglicht. Dabei wollte man gar nicht. Wir alle wissen, wie man sich danach fühlt.

Aber es geht doch.
Möglicherweise ist das eine Alterserscheinung, aber der Genuss von charmanter Kompagnie im Bett, die sich gut und warm und irgendwie vertraut anfühlt war tatsächlich alles was ich wollte. Selbst Herzklopfen und Ständer (und irgendwie war ich Andrej dankbar, dass er einen hatte) und feuchte Möse und das Ganze Drum und Dran wurde zu einem so vertrauten und lieb gewonnenen Gefühl, dass es beruhigend und einschläfernd wirkte.
Mein letzter Gedanken vor dem Einschlafen war: Genau so ist es gut.

10.12.05

Tampons

Wenn Freundinnen über Tampons reden:

„Benützt du eigentlich Tampons oder Tampax?“
„Tampons. Und du?“
„Tampax. Ich finde diese Einführhülsen praktisch.“
„Ich verstehe nicht warum man eine Einführhilfe braucht. Um sich die Finger nicht schmutzig zu machen?
„Nein umgekehrt: Ich hab oft schmutzige Hände. Dann ist das hygienischer mit den Hülsen.“
„Du kannst ja vorher deine Hände waschen!“
„Nein, manchmal klebt da Leim und so hartnäckiges Zeugs an den Fingern.“
„Ich mag trotzdem lieber Tampons. Ich stecke meinen Finger gern in die Möse.“

09.12.05

Heldentat

Apropos nachvollziehbar: Für eine Frau nachvollziehbarst dargestellte
Heldentat.

Gefunden hier.

08.12.05

PMS

Dieser für einen Mann nachvollziehbar schwerst zu beschreibendste Zustand, (der Hang zur Komplikation und Dramatisierung ist schon mal bezeichnend)...
Ich geb’s auf. Schreibe meinen Erklärungsversuch besser postmenstruell weiter.

Dabei sind es nur kleine Hormonteufelchen, die in mir herumspuken.

06.12.05

Samichlaus

Als ich noch an den Nikolaus glaubte, versteckte ich mich schnell hinter der Tür, als ich sein Glöcklein klingeln hörte. Ich hatte Angst.
Da stand ich nun, an die Wand gedrückt und hatte meinen gestrickten Kuschelaffen nicht dabei. Ich griff mir stattdessen flugs einen anderen Gegenstand, den ich fest umklammern konnte. Dummerweise war es ein Klammerapparat, aber ich kannte das Gerät damals noch nicht. Ich drückte solange nervös drauf rum, bis plötzlich eine Heftklammer in meinem Finger steckte. Tief drin. Es tat höllisch weh. Es blutete saumässig Aber ich unterdrückte meinen Schrei und meine Tränen.
Nie, niemals hätte ich mein Versteck verraten.

05.12.05

Single par excellence

Wir sprachen über Männer und Sex wie immer.
Manu erzählte mir von ihren letzten Affären,
dem prächtigen Ungaren, der wie ein Gott vögelte,
und von den zwei Spaniern, die so jung waren und wild.
Ich erblasste ein wenig vor Neid.
„Aber weisst du“ sagte sie,
„Affären sind - selbst wenn der Sex jedes Mal unübertreffbar gut ist-
gar nicht was ich wirklich will.
Ich will im Grunde geliebt werden.“
Sie, die sich und allen Menschen vierzig Jahre lang bewiesen hat,
dass sie es nicht nötig hat, geliebt zu werden,
von klein auf nie geliebt worden ist
und bestens damit klarkommt.
Wie keine andere.
Die Singlefrau par excellence.
Sie also auch.
„Aber“ fuhr sie fort, „ich halte keine Beziehung länger als drei Jahre aus.
Und drei Jahre waren’s eigentlich auch nur ein Mal,
weil ich ein Baby gekriegt habe,
was das Ganze etwas hinauszögerte.“

Und ich, die aus purer Verschwendung heraus
es vorziehe Affären zu haben,
und vorgebe es aus Rücksicht zu tun,
um keine Männer zu verletzen,
Männer, die vorgeben nur Sex zu wollen
und im Grunde
auch nur geliebt werden wollen,
ich will im Grunde
lieben.

04.12.05

Psychologisieren Sie bitte nicht!

Gespräch heute Morgen mit meiner Mitbewohnerin:
Sie: „Warum magst du ihn nicht? Ich dachte du stehst auf Journalisten.“
Ich: „Das habe ich nie gesagt. Wie kommst du darauf?“
Sie: „Du hast doch eine Schwäche für Männer, die Geschichten erzählen können.“
Ich: „Eben. Geschichten. Und nicht, dass es gerade Kult ist, Kunstblumen gaaaanz toll zu finden.“
Sie: „Aber unterhaltsam ist er. Wenn er wie eine Tunte...“
Ich: „Vergiss es! Er spielt doch nur so perfekt die Tunten Show, weil er seine wahren Gefühle nicht zeigen kann. Er ist nicht authentisch. Er sprach die ganze Zeit so massentauglich zurechtgetextet.“
Sie: „Ich kenne da noch einen Psychologen. Soll ich den mal zum Abendessen einladen?
Lachen.

03.12.05

Zuhälterisieren Sie bitte nicht!

Gestern Abend hat meine Mitbewohnerin, die junge, blonde Technikerstudentin, einen Journalisten der Berner Zeitung zum Abendessen eingeladen. Sie wollte mich verkuppeln.
Ich bin aber nicht darauf reingefallen.
Der Typ war aber auch so was von originell und unausstehlich. Er konnte zum Beispiel perfekt Tunten nachmachen, und ich merkte, dass er sich gewöhnt war damit die Leute zum Lachen zu bringen. Er konnte auch perfekt Zürcher Zuhälter nachmachen, was garantiert ein Brüller war bei jungen Mädchen.
Ich fand es darum nicht komisch, weil er im Grunde gerne so cool wie ein Zürcher Zuhälter wäre, auch so hart und abgebrüht, aber er ist – wie die meisten wortgewandten und ach so kreativen Männer – ein inneres Sensibelchen.
Nun ja, ich mag innere Sensibelchen.
Aber ich mochte ihn nicht, weil er blondiert war und eine Kunstblume als Gastgeschenk mitbrachte. Und weil er sicher zehn wenn nicht zwanzig Mal das grässliche Wort „Kult“ sagte.
Ich zog mich also in mein Zimmer zurück und las meinen Murakami zu Ende.
Heute Morgen liegt eine BZ auf dem Küchentisch, zufällig liegen geblieben oder vergessen, damit mein Blick auf seinen Artikel fällt, den er in seinem bewährten zürcher-zuhälterischen Stil geschrieben hatte. Und ich stelle mir vor, wie er sich vorstellte, dass ich beim Lesen des Artikels bestimmt vor Bewunderung tief seufzen würde.