30.08.10

Artichokes und Anchovis

Habe bis jetzt geschrieben. Den Leistungsnachweis für meine Weiterbildung. Es ist halb neun und ich habe Hunger. Setze mich in die Küche und schenke mir ein Glas Rotwein ein. Habe Hunger und keine Lust zu kochen. Nur Kartoffeln im Haus. Öffne den Kühlschrank, um ein Menu mit Kartoffeln zusammen zu stellen. Der Kühlschrank ist leer. Setze mich wieder an den Tisch und denke ans Essen. Öffne den Kühlschrank noch fünf Mal. Irgendetwas wird sich doch im Kühlschrank zu den Kartoffeln finden. Er ist jedes Mal leer. Bestelle eine Pizza. Bei MPK. Mega Pizza Kurier. Eine Quattro Stagioni ohne Pilze, bitte. Dafür mehr Artischocken, wenn’s geht. Warte am Küchentisch bei Rotwein und denke an die Weiterbildung. Habe den zweiten Weiterbildungstag bereits geschwänzt. Meine Mutter wird eben im Leben nur einmal 70 und ich hatte die Gelegenheit, ihren Freund kennen zu lernen. Samt Kind und Kegel. Ein Wittwer, fast zehn Jahre jünger als meine Mutter. Wenn sie heiraten, wird er mein Stiefvater. Und seine drei Söhne meine Stiefbrüder. Meine zukünftigen Stiefbrüder sehen aus wie Schwingerkönige. Berner Oberländer mit rosig glühenden Wangen und bergsonnenstrahlenden Augen. Sie arbeiten bei der Jungfrau Bergbahn und haben Ehegattinnen, die alle exakt den gleichen Haarschnitt haben. Stirnfransen und die schulterlangen blondierten Haare grob gestuft. Entweder gehen sie zum gleichen Frisör im Dorf, oder die zukünftigen Stiefbrüder haben den gleichen Frauen mit Ponyschnitt Geschmack. Wie sah wohl die Mutter meiner zukünftigen Stiefbrüder aus?  Ich fragte, wie sie die Liaison ihres Vaters mit meiner Mutter empfinden. Sie antworteten, dass meine Mutter ihre Mutter nie ersetzen wird. Ich frug nicht weiter. Obwohl ich gerne nach einem Foto der Mutter gefragt hätte.
Ali bringt meine Pizza. Er gibt mir zuerst die Hand. Stellt sich vor. Dann steckt er mein Geld ein, reicht mir die Pizza und gibt mir zum Abschied wieder die Hand. Renne mit der Pizza die Treppe hoch, weil das Telefon klingelt. Meine Mutter ist am Apparat. Sie bedankt sich für das Geburtstagsfest und wünscht mir auch einen Freund. Auf meiner vier Jahreszeiten Pizza wird der Herbst frischfröhlich mit Pilzen zelebriert. Wenigstens sind es frische Champignons. Frage mich, ob Artischocken, Schinken oder die bunten Peperonis den Frühling symbolisieren. Und was Sommer sein könnte. Das Telefon klingelt. Meine Schwester ist am Apparat. Sie sagt, dass der Computer für meine Mutter noch immer nicht geliefert wurde. Es wäre das Überraschungsgeschenk für meine Mutter gewesen. Ich habe ihn gekauft und zu meiner Mutter schicken lassen. Einen Mac. Habe insgesamt mehr Zeit gebraucht, eine passende Geburtstagskarte zu finden, als das passende Geburtstagsgeschenk. Leider ist auf die Schweizer Post auch kein Verlass mehr. Sage meiner Schwester, dass ich gerade Pizza esse, die kalt wird. Was für eine, will sie wissen. Eine Quattro Stagioni mit Pilzen, obwohl ich anstatt Pilzen Artischocken bestellt hatte. Sie erzählt mir, dass sie in Amerika einmal eine Pizza nur mit Artischocken bestellt hatte, und eine Pizza mit Sardellen bekam, weil sie das englische Wort für Artischocken nicht kannte.

26.08.10

Er suchte meine Nähe und fand sie nicht

"Möchtest du ein Glas Wein. Oder noch einen Kaffee?"
"Nein, ich möchte gehen."

24.08.10

Sprechstunde

Sein Blick wanderte über mein Gesicht, suchte Halt mit aller Kraft. Aber dann stürzte er immer wieder in meinen Auschnitt ab.

23.08.10

Ich verstehe die Menschen nicht

Wenn ich aufhöre, Erwartungen an die Menschen zu haben, an ihre Wahrhaftigkeit, ihren Mut, ihre Fähigkeit zu reflektieren, dann gelingt es mir, gesellig zu sein.
Wenn ich beginne, die Menschen zu verstehen, wie sie leben und warum sie so leben, dann beginne ich sie gern zu haben.
Auf der Lauer.

21.08.10

Meine strahlende, frisch verliebte Mutter

20.08.10

Abends in der Wohnung herumtigern