30.05.13

Sexpack

Ich hatte fünf Wochen einen Hexenschuss. Das ist eine lange Zeit. Die Frau des Holzhändlers hatte neulich auch einen. Aber nur drei Wochen lang. Das sagte sie mir, während sie schwungvoll eine Kiste voll mit Holz von der Ladefläche runterwuchtete und erzählte, was ihr alles half und welche Schmerzmittel nichts taugten, und in der ganzen Zeit hielt sie die Kiste in den Händen ohne sie auch nur ansatzweise abzustellen. Ihr Mann ist Juniorchef in einem kleinen Familienunternehmen. Sie ist die Frau des Holzhändlers, also das Mädchen für alles, insbesondere Buchhaltung. Aber auch Bestellung und Lieferung. Und Haushalt, Kinder, eben alles. Der Mann fährt den Lieferwagen. Sie ist Beifahrerin und nimmt Anrufe entgegen. Sie schleppt das Holz in den Keller, und er stapelt es dort ordentlich auf. Holzstapeln ist seit jeher Männersache. Genauso wie das Autoladen. Die Frauen bringen die Koffer zum Auto und die Männer packen den Wagen. Natürlich haben auch Frauen ein gutes Augenmass, und sie können genau so gut Holz stapeln. Es ist also keine Frage des Könnens. Warum schleppt die Frau Tonnen von Holz herum und der Mann stapelt es?
Über solche Dinge denke ich nach.
Der Mann erlebt sicher eine innere Genugtuung, wenn er das Ergebnis vor sich hat. Nicht das Stapeln bestätigt ihn, sondern die fertige Holzbeige, die wie eine Eins steht. Der volle Kofferraum. Sogar das Kinderfahrrad und den Liegestuhl konnte ich noch verstauen, denken die Männer dann stolz. Sichtbare Erfolge machen den Mann glücklich. Resultate bestätigen den Mann. Die Frau des Holhändlers schleppt, weil sie Erfolg vielleicht pragmatischer erlebt. Sie hält sich derweil fit. Und hat sicher nichts dagegen, wenn ihr Mann glücklich ist.
Eigentlich wollte ich von meinem Hexenschuss erzählen. Fünf Wochen, und es besserte nicht. Ich ging also zum Arzt.
Mein Hausarzt begrüsste mich lächelnd. Er freut sich immer, wenn er mich sieht. Leider sehen wir uns nicht so oft.
Das Problem sei mein hohles Kreuz, meinte er, und zeigte mir, wie meine Wirbel sich aneinander reiben und abnutzen, indem er an einem kleinen Knochenmodell, das immer griffbereit auf seinem Arzttisch steht,  ein hohles Kreuz formte. Er sagte, es sei zwar reizvoll mit hohlem Kreuz rumzulaufen, aber wenn vorne der dicke Bauch das Hohlkreuz noch verstärkt, dann... er zeigte mir noch einmal, wie die Wirbel sich abreiben, und nur schon dieser Anblick tat weh. Die einzige Lösung sei erst einmal wirksame Schmerztabletten und ein Sexpack.
Ich verstand nicht: "Ein Sex... was, bitte schön?"
Er formte mit seinen Händen kleine Bauchmuskeln und lächelte ununterbrochen: "Sixpack. Sie brauchen ein Bauchmuskeltraining. Und Rückenmuskeltraining."
"Da gibt es nichts einzuwenden", sagte ich.
Er nickte: "Nein, ich glaube da hat niemand etwas dagegen, wenn Sie mit einem hübschen Sixpack rumlaufen...".
Ich liebe meinen Hausarzt.
Meine Freundin wartete draussen auf mich. Ich sagte ihr, dass ich alles tun würde, um so einen Mann zu kriegen.
"Dann tu doch alles", sagte sie.
"Der ist sicher verheiratet", winkte ich ab. "Ein Mann wie der ist verheiratet und hat drei Söhne."
"Ach Minka", sagte sie, "jeder Mann bereut es geheiratet zu haben, wenn er dich trifft...".

Jetzt mache ich seit zwei Wochen jeden Tag zehn Minuten Bauchmuskeltraining. Ich habe bei youtube geschaut, was man so für Übungen machen kann. Und da sind lauter - ich kann es nicht anders beschreiben als - muskulöse Männer, die mir ihre Sixpacks präsentieren und vormachen, wie sie zu diesem sichtlichen Ergebnis gekommen sind. Ich habe nichts gegen ihr Glück. Und halte mich derweil fit.

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