29.07.12

Wundern

Aline, eine alte Schulfreundin, besucht mich. Sie lebt in einer anderen Stadt, wir sehen uns nicht so oft. Sie hat einen Mann, der Professor an der Uni ist und vier halbwüchsige Kinder. Ich führe sie durch den Garten, dann zeige ich ihr das Treibhaus. Es ist ein sehr schönes, altes Glashaus etwas versteckt im hinteren Teil des Gartens. Wir entdecken zwischen den Giesskannen und leeren Töpfen ein, zwei leere Kondompackungen am Boden. 
"Ah, da hat jemand gevögelt", sage ich, und ziehe die Gartenhandschuhe an, um die Packungen weg zu schmeissen. 
"Was, hier?", wundert sich Aline. 
"Offensichtlich", sage ich etwas mürrisch, kann mich aber nicht wirklich ärgern, weil die Lust noch wie ein Lächeln im Raume schwebt.
"Wie haben die das gemacht?", wundert sich Aline noch immer, "hier ist ja gar kein Platz. Im Stehen? Ich habe noch nie im Stehen ...", sie zögert, "... es im Stehen gemacht".  
Wir schweigen, nun beide etwas verwundert.
"Ich wusste bis vor Kurzem auch nicht, was vögeln bedeutet", fährt sie fort. "Meine Kinder haben neulich einen Witz davon erzählt". 
Sie erzählt mir den Witz:
Ein junger Mann klingelt an der Tür und sagt freundlich:

"Guten Tag Frau Fischer. Ich komme Ihre Tochter abholen. Wir wollen gemeinsam fischen gehen."

"Aber junger Mann", sagt die Mutter, "ich heisse doch Vogel!"

Der junge Mann antwortet: 
"Ich weiss, aber ich wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen".
 "Sie mussten mir den Witz erklären", gesteht sie lächelnd.
Ich lächle auch.
Wir leben in unseren eigenen Welten voller Verwunderung über die wirkliche Welt.

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