Besuche eine Lesung in einer Galerie, die gar keine Lesung ist, sondern eine Diskussion. Bei Diskussionen reden immer die am meisten, die um den Brei herum reden. Dann platzt irgendwann irgendeinem den Kragen, und ruft, dass das alles Schwachsinn ist, und sagt, worum es im Brei in Wirklichkeit geht. Und alle könnten nach Hause gehen. Stattdessen sind alle unangenehm betroffen und reden weiter um den Brei herum.
Ich verlasse die Diskussion, was auch ein viel sagender Beitrag um den Brei herum ist. Aber ein stiller.
Einer der Musiker steht auch schon draussen. Es ist der Harmonikaspieler. Ich sage ihm, dass sein Spielen mir gut gefallen hat. Er bedankt sich und lächelt. Dann stehen wir eine Weile so rum und sagen nichts. Ich möchte mich weiter mit ihm unterhalten, weiss aber nicht, was sagen.
Ich frage ihn, mit wem er sonst noch zusammen spielt. "Mit ganz vielen", sagt er, und zählt ganz viele Namen auf, die ich natürlich nicht kenne. Ich merke, dass ich mich mit meiner Fragerei aufs Glatteis begebe. "Welches Ensemble ist denn das bekannteste?", rutscht es in mir aus. Aber ich gebe nicht auf: "Welche Musik spielst du am liebsten?". "Hm", sagt er, "Schrammelmusik". Schrammel, denke ich. Das Eis wird immer dünner. "Ich weiss nicht, was Schrammel ist", sage ich. Er rettet mich: "Komm mit", sagt er, "ich zeige es dir". Wir gehen in die Galerie zurück, die nach der Diskussion im Nullkommanichts menschenleer geworden ist. Er nimmt seine Harmonika und spielt mir den Rest des Abends Schrammelmusik vor.
Ich sitze da, weggetragen und verwöhnt von der Musik und frage mich, was für ein Gefühl diese Musik ist. Als hätte ich etwas zurückgefunden, was ich mein Leben lang vermisst habe. Wie eine Heimat.
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