Ich wunderte mich ein wenig, als ich unter diesem Gesellen hindurch zur Ausgangstür ging. Ich dachte: Sie sind schon lustig aber auch eigenartig, die Berner Spässe.
Erst im Nachinein sah ich, dass ich im Zunfthaus zu Metzgern war.
29.06.06
28.06.06
25.06.06
Wie ich schlagartig erwachte, oder warum man die Wirkung aufgehängter Bilder nicht unterschätzen sollte.
Wenn man Teewasser mit einem elektrischen Wasserkocher auf dem Gasherd heiss macht, und einem erst dann langsam dämmert, dass etwas falsch ist, wenn es nach verbranntem Plastik riecht und dunkler, schwarzer Rauch über den Stichflammen aufsteigt, dann ist man definitiv noch nicht wach.
Es gibt aber für alles immer noch eine andere Erklärung. Mindestens eine.
Als ich nämlich den brennenden Wasserkocher rasch vom Gasherd nahm und mich in der Küche umsah, wohin ich das schmelzende Teil schmeissen könnte, fiel mein Blick sofort auf das Poster an der Wand.
Sie!
Mein Besuch aus Berlin hatte mir dieses Plakat mitgebracht, eine Ausstellung von Sterling Ruby in Milano. Meine Freunde hatten an mich gedacht, als sie das Bild gesehen hatten: Eine muskulöse Frau mit einem komischen Kerzenständer. Ein seltsames Bild. Und warum an mich gedacht? Manchmal lösen sich Rätsel, wenn man die Dinge wirken lässt und nicht viel daran rumstudiert. Ich hängte das Bild in der Küche auf.
Der Wasserkocher wurde langsam heiss in der Hand und pechschwarze Tropfen fielen auf meinen Afghanischen Teppich. Während ich sie betrachtete, wie sie mit ihren breiten Armen und dem Gesicht im Dunkeln wie eine unheilvolle Türsteherin über die Geschehnisse wachte, wurde ich schlagartig wach. Ich bin ja nicht abergläubisch. Ganz und gar nicht. Aber mir wurde sofort klar, wer an diesem sonderbaren Unglück schuld war.
Es gibt aber für alles immer noch eine andere Erklärung. Mindestens eine.
Als ich nämlich den brennenden Wasserkocher rasch vom Gasherd nahm und mich in der Küche umsah, wohin ich das schmelzende Teil schmeissen könnte, fiel mein Blick sofort auf das Poster an der Wand.
Sie!
Mein Besuch aus Berlin hatte mir dieses Plakat mitgebracht, eine Ausstellung von Sterling Ruby in Milano. Meine Freunde hatten an mich gedacht, als sie das Bild gesehen hatten: Eine muskulöse Frau mit einem komischen Kerzenständer. Ein seltsames Bild. Und warum an mich gedacht? Manchmal lösen sich Rätsel, wenn man die Dinge wirken lässt und nicht viel daran rumstudiert. Ich hängte das Bild in der Küche auf.
Der Wasserkocher wurde langsam heiss in der Hand und pechschwarze Tropfen fielen auf meinen Afghanischen Teppich. Während ich sie betrachtete, wie sie mit ihren breiten Armen und dem Gesicht im Dunkeln wie eine unheilvolle Türsteherin über die Geschehnisse wachte, wurde ich schlagartig wach. Ich bin ja nicht abergläubisch. Ganz und gar nicht. Aber mir wurde sofort klar, wer an diesem sonderbaren Unglück schuld war.
23.06.06
22.06.06
Prioritäten
Ich habe keine Zeit für die Fussball WM. Ich frage mich jeden Tag, woher die Leute all die Zeit zum Schauen nehmen. Ich habe nicht einmal für mein alltägliches Leben genug Zeit. Nicht genug für meinen Liebhaber, nicht genug für meine Freunde.
Es ist eine Frage der Prioritäten. Tragen mich meine eigenen Beine durch das Leben, oder lebe ich dafür, den tribbelnden kleinen Männchen auf dem Rasen zuzuschauen?
Das Angebot an abendfüllender Unterhaltung ist überpräsent und günstig wie selten.
Ich lasse mich auch gerne unterhalten. Es sieht aber ganz danach aus, als müsste ich mir meine Prioritäten teuer erkaufen.
Zum Beispiel mit Season of the Horse im Kellerkino.
Das Unterhaltsame beim Kino beginnt schon beim Billetkauf, wenn der rothaarige Student sich verrechnet und man ihm den richtigen Preis vorschlägt. Satte 51 Franken für drei Billete immerhin. Und während er laut nachrechnet und Zahlen wie Würfelaugen zu blinzeln beginnen, Summen sich überschlagen, schlägt man ihm vor, dass man eigentlich genauso gut um den Preis würfeln könnte. Dann lacht er zustimmend, und man merkt, dass er jeden Leichtsinn in Erwägung ziehen würde, der ihn aus diesem Kinobilletverkaufsschalterhäuschen spicken würde.
Das spannende am Kellerkino ist, dass der Student in der Pause die riesigen Filmrollen wechselt und danach die Zuschauer mit einer kleinen Glocke an ihre Plätze zurückmahnt.
Es erinnert mich an unsere Jeune-filles. So hiessen die Kindermädchen, die aus der Deutschen Schweiz ins Welschland kamen, um Französisch zu lernen. Jeune-filles klingt mit Deutschem Accent so: Schön-fies.
Sie klingelten jedenfalls auch mit einer Handglocke. Immer mittags und abends läuteten sie uns Kinder und die Pensionäre, die in den oberen Stockwerken im Haus wohnten aus den Zimmern an den Esstisch.
Zurück ins Kellerkino. Der Film war ergreifend.
Es geht um den Zerfall des Nomadentums. Der Regisseur Nin Cai hat das Drehbuch geschrieben und spielt selber die Hauptrolle. Er rechnet nebenbei mit den Künstlern, den Beamten, den Städtern, den Händlern und den Werbefritzen ab.
Ich habe vom Anfang bis zum Ende des Filmes geheult. Es ist meine eigene Geschichte, die vor meinen Augen ablief, und es rührte mich zu Tränen, das zu sehen.
Werde ich mich jemals an die Sesshaftigkeit gewöhnen?
Mais c’est une solution foutue d’être nomade aujourd’hui.
In der Mongolei haben die Nomaden die Dürre am Hals.
Hast du nicht die Dürre, hast du die Grünen an der Backe. Das sage ich jetzt lachend. Und wenn ich wüsste, wie man hier die Wörter streicht, würde ich die Grünen streichen und die Tierschützer schreiben. Streichen. Die EU. Streichen. Das Hochwasser. Die Seuchen. Auf jeden Fall hast du nichts zu lachen.
Es ist ein Film, der im ersten Moment harmlos scheint, aber er zeigt weit mehr als man verstehen oder sehen kann.
Es ist eine Frage der Prioritäten. Tragen mich meine eigenen Beine durch das Leben, oder lebe ich dafür, den tribbelnden kleinen Männchen auf dem Rasen zuzuschauen?
Das Angebot an abendfüllender Unterhaltung ist überpräsent und günstig wie selten.
Ich lasse mich auch gerne unterhalten. Es sieht aber ganz danach aus, als müsste ich mir meine Prioritäten teuer erkaufen.
Zum Beispiel mit Season of the Horse im Kellerkino.
Das Unterhaltsame beim Kino beginnt schon beim Billetkauf, wenn der rothaarige Student sich verrechnet und man ihm den richtigen Preis vorschlägt. Satte 51 Franken für drei Billete immerhin. Und während er laut nachrechnet und Zahlen wie Würfelaugen zu blinzeln beginnen, Summen sich überschlagen, schlägt man ihm vor, dass man eigentlich genauso gut um den Preis würfeln könnte. Dann lacht er zustimmend, und man merkt, dass er jeden Leichtsinn in Erwägung ziehen würde, der ihn aus diesem Kinobilletverkaufsschalterhäuschen spicken würde.
Das spannende am Kellerkino ist, dass der Student in der Pause die riesigen Filmrollen wechselt und danach die Zuschauer mit einer kleinen Glocke an ihre Plätze zurückmahnt.
Es erinnert mich an unsere Jeune-filles. So hiessen die Kindermädchen, die aus der Deutschen Schweiz ins Welschland kamen, um Französisch zu lernen. Jeune-filles klingt mit Deutschem Accent so: Schön-fies.
Sie klingelten jedenfalls auch mit einer Handglocke. Immer mittags und abends läuteten sie uns Kinder und die Pensionäre, die in den oberen Stockwerken im Haus wohnten aus den Zimmern an den Esstisch.
Zurück ins Kellerkino. Der Film war ergreifend.
Es geht um den Zerfall des Nomadentums. Der Regisseur Nin Cai hat das Drehbuch geschrieben und spielt selber die Hauptrolle. Er rechnet nebenbei mit den Künstlern, den Beamten, den Städtern, den Händlern und den Werbefritzen ab.
Ich habe vom Anfang bis zum Ende des Filmes geheult. Es ist meine eigene Geschichte, die vor meinen Augen ablief, und es rührte mich zu Tränen, das zu sehen.
Werde ich mich jemals an die Sesshaftigkeit gewöhnen?
Mais c’est une solution foutue d’être nomade aujourd’hui.
In der Mongolei haben die Nomaden die Dürre am Hals.
Hast du nicht die Dürre, hast du die Grünen an der Backe. Das sage ich jetzt lachend. Und wenn ich wüsste, wie man hier die Wörter streicht, würde ich die Grünen streichen und die Tierschützer schreiben. Streichen. Die EU. Streichen. Das Hochwasser. Die Seuchen. Auf jeden Fall hast du nichts zu lachen.
Es ist ein Film, der im ersten Moment harmlos scheint, aber er zeigt weit mehr als man verstehen oder sehen kann.
20.06.06
Holunderblütenwein
Ich habe neulich den ganzen Nachmittag die Holunderblüten sorgfältig von den Stängeln getrennt.
Ein Kilogramm Blüten.
Fünfzehn Liter Wasser. Quellwasser vom Glasbrunnen, welches scheinbar vom Jungfraugebiet stammt und tief unter der Erde die lange Strecke bis in den Bremgartenwald ausgesucht hat.
Reinhefe. Ein Löffelchen in ein Glas Apfelsaft, zwei Tage zuvor angesetzt.
Vier Kilo Zucker und hundert Gramm Zitronensäure.
Ich habe alles in einen Glasballon gefüllt und eine Handvoll Rosinen dazu gegeben für die goldene Farbe, Gärverschluss drauf. Fertig.
Täglich sanft schwenken. Sanft.
Nun blubbert der Holunderblütenwein gelassen vor sich hin.
Er gärt.
Wie mein Leben. Im Moment.
Am besten lässt man den Wein in Ruhe gären. Es braucht geduld. Er blubbert und schmeckt grauenvoll. Unausstehlich.
Aber man kann davon ausgehen, dass es ein guter Jahrgang wird.
Man sollte ihn jung trinken, zum Beispiel an einem milden Spätsommerabend.
Dummerweise heissen die Tage dann Altweibertage, fällt mir gerade ein. Aber so ist das jetzt nicht gemeint. Das mit dem alt wollte ich à tout prix vermeiden. Jedenfalls sollte man den Holunderblütenwein nicht zu lange im Keller rumstehen lassen. So.
Ein Kilogramm Blüten.
Fünfzehn Liter Wasser. Quellwasser vom Glasbrunnen, welches scheinbar vom Jungfraugebiet stammt und tief unter der Erde die lange Strecke bis in den Bremgartenwald ausgesucht hat.
Reinhefe. Ein Löffelchen in ein Glas Apfelsaft, zwei Tage zuvor angesetzt.
Vier Kilo Zucker und hundert Gramm Zitronensäure.
Ich habe alles in einen Glasballon gefüllt und eine Handvoll Rosinen dazu gegeben für die goldene Farbe, Gärverschluss drauf. Fertig.
Täglich sanft schwenken. Sanft.
Nun blubbert der Holunderblütenwein gelassen vor sich hin.
Er gärt.
Wie mein Leben. Im Moment.
Am besten lässt man den Wein in Ruhe gären. Es braucht geduld. Er blubbert und schmeckt grauenvoll. Unausstehlich.
Aber man kann davon ausgehen, dass es ein guter Jahrgang wird.
Man sollte ihn jung trinken, zum Beispiel an einem milden Spätsommerabend.
Dummerweise heissen die Tage dann Altweibertage, fällt mir gerade ein. Aber so ist das jetzt nicht gemeint. Das mit dem alt wollte ich à tout prix vermeiden. Jedenfalls sollte man den Holunderblütenwein nicht zu lange im Keller rumstehen lassen. So.
18.06.06
Marqués De Murrieta crianza 2002
Und wenn so eine arme Frau wie ich nach Feierabend durch die Ladenregale hastet um sich vor Ladenschluss noch einen Genuss zu gönnen... was findet sie dann?
Natürlich konnte ich einer solchen Weinanpreisung nicht widerstehen!
Frage mich, in welcher Stimmung der Texter (oder war es doch eher eine Texterin) wohl gewesen sein muss um auf diese Formulierung zu kommen.
Das erstaunliche an der ganzen Sache ist: Er war vorzüglich.
Natürlich konnte ich einer solchen Weinanpreisung nicht widerstehen!
Frage mich, in welcher Stimmung der Texter (oder war es doch eher eine Texterin) wohl gewesen sein muss um auf diese Formulierung zu kommen.
Das erstaunliche an der ganzen Sache ist: Er war vorzüglich.
17.06.06
Übername
Bonjour Tibaut. Ich hatte den Namen noch nie gehört und vergass ihn gleich wieder. Im Laufe unseres Gespräches versuchte ich mich zu erinnern und nannte ihn leichtsinnig Tijoli. Er lächelte. Ich verbesserte mich aber gleich: Toubeau.
Gegen Morgen, als ich der Verlockung nicht mehr widerstehen konnte und den Drachen an seinem Gürtel, der wie ein Hüter seinen Schatz bewachte, überwunden hatte, nannte ich ihn schwärmerisch und etwas nachdringlicher Thibeauté,
Gibt es das Wort nachdringlich überhaupt? Oder ist es eine meiner beliebten Wortmischungen aus - nachdrücklich und aufdringlich?
Au revoir Beauté, sagte ich ihm, als er ging.
Gegen Morgen, als ich der Verlockung nicht mehr widerstehen konnte und den Drachen an seinem Gürtel, der wie ein Hüter seinen Schatz bewachte, überwunden hatte, nannte ich ihn schwärmerisch und etwas nachdringlicher Thibeauté,
Gibt es das Wort nachdringlich überhaupt? Oder ist es eine meiner beliebten Wortmischungen aus - nachdrücklich und aufdringlich?
Au revoir Beauté, sagte ich ihm, als er ging.
13.06.06
12.06.06
Komplimentieren Sie bitte!
Komplimente sind wie Dünger. Man kann förmlich zusehen, wie die Menschen aufblühen.
09.06.06
08.06.06
Frühlingsdüfte
An frisch gemähten Wiesen entlang gehen
Den Geruch von wildem Salbei deutlich erkennen aber vergeblich danach suchen.
Am Rauch eines Feuers erkennen, welches Holz verbrannt wird.
Nach der Unterführung plötzlich Holunderblüten atmen, als lauerte der Holunder genau dort darauf, mich mit seinem Duft zu überfallen.
In einem Tannenwald stehen, besessen von genau diesem Duft
Den Geruch von wildem Salbei deutlich erkennen aber vergeblich danach suchen.
Am Rauch eines Feuers erkennen, welches Holz verbrannt wird.
Nach der Unterführung plötzlich Holunderblüten atmen, als lauerte der Holunder genau dort darauf, mich mit seinem Duft zu überfallen.
In einem Tannenwald stehen, besessen von genau diesem Duft
Rire ou pleurer
Wenn Weinen die Seele reinigt, dann habe ich jetzt wochenlang gründlichen Frühlingsputz gemacht.
Wobei Lachen die Seele vermutlich genauso hätte durchputzen können.
Eine Frage des Putzmittels also
Wobei Lachen die Seele vermutlich genauso hätte durchputzen können.
Eine Frage des Putzmittels also
07.06.06
Vom Schneckenhonig, oder warum Holunder wie Geisterpisse riecht
Auf meinem Abendspaziergang wurde ich vom Duft der Holunderblüten überrascht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Holunder schon soweit ist. Ich brach ein paar Blütendolden für eine Limonade ab. Der etwas herbe Geruch des Holunders erinnert mich immer an Geisterpisse.
Und das hat einen guten Grund:
Als Kind habe ich die Holunderblüten immer von den Bäumen bei den Ställen auf den Rinderweiden gesammelt. Dort konnte ich auf das Stalldach klettern und an die prächtigsten Blütendolden gelangen, die ja beim Holunder immer zuoberst im Baum wachsen. Ein alter Bauer hatte mir einmal erklärt, dass um die Ställe herum die Kräuter am besten gedeihen, weil der Boden so gut gedüngt ist. Die Sauerampfer, der gute Heinrich und die Brunnenkresse. Und natürlich der Holunder. Der alte Mann sagte auch, dass die Geister dort wohnen, wo der Holunder wächst. Die guten Geister. Darum lässt man den Holunder immer bei Ställen stehen, obwohl er manchmal so dicht an der Stallwand wächst, dass er mit der Zeit die Bretter der Stallwand eindrückt.
Von da an wusste ich, warum der Holunder so eigenartig herb riecht. Er wird von den Geistern gedüngt. Mir war auf einmal sonnenklar: Holunder riecht nach Geisterpisse. Da es gute Geister sind, ist der Duft zwar etwas unheimlich, aber nicht unangenehm.
Wenn ich an den alten Mann denke, fällt mir auch die Geschichte mit den Schnecken ein:
Derselbe alte Bauer kam zwanzig Jahre später des Weges, inzwischen war er uralt geworden, mit einer Plastiktüte in der Hand. Es war Herbst und ich hütete die Schafe an der Bergstrasse. Er blieb neben mir stehen und wir schauten eine Weile zusammen stumm über die weidenden Schafe. Weil er nach einer weiteren Weile immer noch nichts sagte, fragte ich ihn, wohin er unterwegs sei.
„Zu dir!“, sagte er, und streckte mir die Tüte hin. „Ich habe Schnecken für dich mitgebracht.“
„Schnecken?“ rief ich erschrocken. Mir wurde bei dem Gedanken, eine riesige Schüssel voller Schnecken aufzuessen ein wenig mulmig im Magen. Oder brachte mir der Irre etwa eine Tüte voller Gartenschnecken? Ich traute ihm alles zu.
Ein alter Bergamasker Schäfer hatte mir einmal selbst gemachten Hustensirup in einem Einmachglas angeboten. Es waren in Zucker aufgelöste Schnecken. Süsser Schneckenschleim wirkt Wunder, raunte er mir zu, während er seinen knorrigen Finger tief im braunen Zuckerschleim herumdrehte und rasch in den Mund führte.
Ich nahm dem alten Schneckensammler die Tüte ab. „So viele Schnecken?“, fügte ich erstaunt hinzu, aber meine Stimme klang sehr beunruhigt.
Jetzt lachte der Alte herzhaft: „Zwetschgen!“, sagte er, „es sind Zwetschgen, nicht Schnecken. Ich habe dich jetzt schön erschreckt, nicht wahr?“, und er strahlte vergnügt bis über beide Ohren.
Und das hat einen guten Grund:
Als Kind habe ich die Holunderblüten immer von den Bäumen bei den Ställen auf den Rinderweiden gesammelt. Dort konnte ich auf das Stalldach klettern und an die prächtigsten Blütendolden gelangen, die ja beim Holunder immer zuoberst im Baum wachsen. Ein alter Bauer hatte mir einmal erklärt, dass um die Ställe herum die Kräuter am besten gedeihen, weil der Boden so gut gedüngt ist. Die Sauerampfer, der gute Heinrich und die Brunnenkresse. Und natürlich der Holunder. Der alte Mann sagte auch, dass die Geister dort wohnen, wo der Holunder wächst. Die guten Geister. Darum lässt man den Holunder immer bei Ställen stehen, obwohl er manchmal so dicht an der Stallwand wächst, dass er mit der Zeit die Bretter der Stallwand eindrückt.
Von da an wusste ich, warum der Holunder so eigenartig herb riecht. Er wird von den Geistern gedüngt. Mir war auf einmal sonnenklar: Holunder riecht nach Geisterpisse. Da es gute Geister sind, ist der Duft zwar etwas unheimlich, aber nicht unangenehm.
Wenn ich an den alten Mann denke, fällt mir auch die Geschichte mit den Schnecken ein:
Derselbe alte Bauer kam zwanzig Jahre später des Weges, inzwischen war er uralt geworden, mit einer Plastiktüte in der Hand. Es war Herbst und ich hütete die Schafe an der Bergstrasse. Er blieb neben mir stehen und wir schauten eine Weile zusammen stumm über die weidenden Schafe. Weil er nach einer weiteren Weile immer noch nichts sagte, fragte ich ihn, wohin er unterwegs sei.
„Zu dir!“, sagte er, und streckte mir die Tüte hin. „Ich habe Schnecken für dich mitgebracht.“
„Schnecken?“ rief ich erschrocken. Mir wurde bei dem Gedanken, eine riesige Schüssel voller Schnecken aufzuessen ein wenig mulmig im Magen. Oder brachte mir der Irre etwa eine Tüte voller Gartenschnecken? Ich traute ihm alles zu.
Ein alter Bergamasker Schäfer hatte mir einmal selbst gemachten Hustensirup in einem Einmachglas angeboten. Es waren in Zucker aufgelöste Schnecken. Süsser Schneckenschleim wirkt Wunder, raunte er mir zu, während er seinen knorrigen Finger tief im braunen Zuckerschleim herumdrehte und rasch in den Mund führte.
Ich nahm dem alten Schneckensammler die Tüte ab. „So viele Schnecken?“, fügte ich erstaunt hinzu, aber meine Stimme klang sehr beunruhigt.
Jetzt lachte der Alte herzhaft: „Zwetschgen!“, sagte er, „es sind Zwetschgen, nicht Schnecken. Ich habe dich jetzt schön erschreckt, nicht wahr?“, und er strahlte vergnügt bis über beide Ohren.
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