31.05.06

24.05.06

Fussball

Ich mochte noch nie Fussball. Und ich mag Männer nicht, die Fussball mögen. Ich ging ihnen bisher vermutlich unbewusst aus dem Weg. Natürlich machte ich Ausnahmen, weil die meisten Männer - auch wenn sie keinen Hut tragen - irgendwo doch etwas mit Fussball am Hut haben. Und ich mag schliesslich Männer. Einmal war ich sogar bereit mich mit einem Mann einzulassen, der in seiner Küche eine St.Pauli Fahne an der Wand hängen hatte. Aber es wurde doch nichts mit uns, weil er Beatles hörte. Nichts gegen die Beatles jetzt. Aber irgendwann ist die Toleranzgrenze überschritten... Ach, was ich eigentlich erzählen will, hat sowieso nichts damit zu tun.
Der Grund, warum ich keinen Fussball mag ist nicht etwa, weil ich eine Frau bin. So einfach ist das mit der Genderfrage auch hier nicht. Aber ich schweife jetzt besser nicht schon wieder ab.
Es hat mit einer Fussballverletzung zu tun.
Es war so:
Ich war acht und er hiess Didier.
Ich fand ihn nett und wollte mit ihm am See Schwäne füttern. Ich zeigte ihm meine Tüte mit getrocknetem Brot für die Schwäne, was ihn aber nicht beeindruckte. Er fand mich doof und wollte Fussball spielen. Dann wollte ich eben auch mitspielen. Die anderen Jungs nahmen mich in die Mannschaft auf. Ich rannte die ganze Zeit mit meiner erwartungsvoll knisternden Tüte voll Brot für die Schwäne in der Hand hinter dem Ball her. Didier versuchte mir den Ball wegzunehmen. Wir bückten uns beide über den Ball, als er plötzlich hochschnellte und mir mit seinem Kopf einen Kinnhaken verpasste. Versehentlich. Ich fiel in Ohnmacht. Als ich zu mir kam blutete ich aus dem Mund. Ich dachte ich würde vielleicht sterben, weil ich von irgendwoher wusste, dass man aus dem Mund blutet, wenn man stirbt.
Zum Glück war nur ein Schneidezahn gestorben. Aber je pupertierender ich wurde, desto dunkler wurde der tote Zahn. Ich hasste meinen schwarzen Schneidezahn. Wobei ich ja noch Glück hatte: Mein Nachbar Raoul hatte vorne einen Silberzahn. Ich fand, dass es bescheuert aussah. Aber Raoul war immer guter Laune und lachte die ganze Zeit. Mit seinem Silberzahn.
Ich jedenfalls beschloss nicht mehr zu lachen, bis ich zwanzig würde. So würde niemand meinen schwarzen Zahn sehen. Mit zwanzig Jahren, versprach man mir, würde ich einen neuen, ganz weissen Zahn bekommen. Dann würde ich wieder lachen können.
Aber eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen. Worauf ich nämlich hinaus will ist folgendes:

Ich spiele neuerdings Fussball.
Meine Nachbarin hat mich dazu gebracht. Es sind Leute aus ihrem Bekanntenkreis, eine gemischte Gruppe, Männer und Frauen, was mir am Anfang etwas problematisch vorkam. Ich befürchtete, die Männer würden uns Frauen keine Chancen lassen, oder aus übermässiger Rücksicht nicht richtig spielen. Aber am meisten fürchtete ich mich vor Verletzungen. Nicht blaue Flecken am Schienbein, ich spreche von zertrümmerten Knien, Bänderrissen, von meinem gestorbenen Schneidezahn, solchen Geschichten.
Oder noch schlimmer: Von inneren Verletzungen, wie Eifersucht und solchen Szenen.
Die Männer in der Gruppe spielen aber sehr fair. Gerade so brutal, dass wir Frauen sie noch für richtige Fussball Helden halten, und so zuvorkommend und verständnisvoll, dass wir sie nicht als Weicheier einstufen. Ihr Spiel ist eine Gradwanderung zwischen Egoismus und Anerkennung.
Wie im richtigen Leben.
Gefährlich sind eher die Frauen.
Die Frauen in der Mannschaft spielen den Ball grundsätzlich in die Luft hinauf und schwingen dabei den Fuss so hoch wie möglich hinterher. Dabei geraten sie schon auch mal versehentlich an ein Schienbein oder an eine Rippe. Es spielt eigentlich gar keine Rolle, wohin sie den Ball schiessen. Hauptsache weg. Ich bekam einmal den Ball mit voller Wucht in den Bauch, aber man lernt schnell, sich reflexartig geduckt abzuwenden sobald eine Frau am Ball ist, dann bleibt auch der Kopf verschont.

Es macht trotzdem Spass Fussball zu spielen. Wirklich. Einigermassen bedenklich finde ich den Spass aber seit heute, als mir meine Nachbarin ihre neu gekauften Fussballschuhe gezeigt hat, mit Noppen.
Ja. Noppen.
Sie kennen doch die Bilder von Egon Schiele. Ich fand immer, dass Schieles Frauen so grün und blau geschlagen aussehen.
Das fällt mir gerade ein, wenn ich meinen grünblau gefleckten Körper betrachte.
Ich wage es gar nicht mir auszumalen, wie meine blaugrünen Flecken mit zusätzlich dunkelrot genoppten Blutergüssen aussehen.
Schielesk.

23.05.06

Déjà-vu-Gefühl

Das kommt mir bekannt vor. Vom Gefühl her. Möchte die Ausstellung unbedingt sehen.

22.05.06

Marillenlikör

Samstag:
im Dialekt des Alkoholgeistes gesungen:

Heut sammer blau
und morgen, wer weiss das genau
wie d’Vögel so leicht
oder im Grab drunten vielleicht

du bist der Prinz von Sansibar
und ich die Mauretanierin an der Bar

Wie’n Drosselei sammer so blau
und morgen, wer weiss das genau
von’nem radioaktiven Regen ’bleicht
oder vom Intercity den Schienen an’gleicht

du bist der Prinz von Sansibar
und ich die Mauretanierin an der Bar

...


Sonntag:
leicht angegleicht
Der Kater vom Likör ist nichts dagegen. Ich hab einen ganzen Streichelzoo im Kopf.

19.05.06

Der Reiz des Aufsparens

Meine Freundin Zhu sagte noch: Minka, du musst den Braten essen, wenn er heiss ist.
Man kann sich aber auch die Zunge verbrennen, wenn man zu gierig isst, dachte ich.
Ich wollte ihn mir lieber für später aufsparen. Für nachher. Wenn es mit dem jungen Liebhaber zu Ende ist.
Doch manchmal, wenn man sich zu lange etwas aufspart, verschwindet es plötzlich. Oder man verliert es. Es kann auch bedeutungslos werden. Oder völlig aus der Mode kommen, wie das seidene Kleid, das ich vor zwanzig Jahren in Paris gekauft hatte. Ich nannte es mein Chagall-Kleid, weil es wie das Blau der Chagall-Fenster im Zürcher Fraumünster leuchtete. Ich sparte es für eine ganz besondere Gelegenheit auf, die aber nie kam. Dann, als es plötzlich besondere Gelegenheiten gab, war es démodé.
Ich sparte mir als Kind auch das Ei auf dem Teller bis zuletzt auf, und ass zuerst tapfer die Kartoffeln und den Spinat. Dann kam immer das beste am Schluss. Damit kann man erstmal weiterleben. Aufsparen hat eben schon seinen Reiz. Ich könnte sogar ganz genau sagen, was für ein herrlicher Reiz im Aufsparen liegt. Aber der Reiz hat es gerade mit mir verspielt. Es kann eben auch daneben gehen.
Und nun ist er weg, er, den ich mir für später aufsparen wollte. Verschwunden.

Garcia Marquez schreibt irgendwo - wenn ich mich recht erinnere - dass es im Leben nur eine begrenzte Anzahl an Fickmöglichkeiten gibt. Nimmt man sie nicht wahr, gehen sie unwiederbringlich verloren.
Wobei ich unwiederbringlich in diesem Zusammenhang weder bedrohlich noch traurig finde. Eher die begrenzte Anzahl beunruhigt mich ein wenig.

17.05.06

...

Der tranceartige Zustand von Schlafmangel. Seit zwei Tagen.

16.05.06

Wie alles anfing

Houellebecq, bei dem ich jedes Mal nachsehen muss, wie man ihn schreibt, hat mich quasi auf mein erstes Weblog gebracht. Ich suchte damals im Internet, wie man den Namen ausspricht. Ich behauptete nämlich (und tu es immer noch), dass man ihn französisch aussprechen muss: ’oulle-bek. Meine Arbeitskollegen meinten dagegen, es müsse englisch klingen: wel-bek. Wikipedia gibt ihnen dummerweise Recht. Aber ich googelte so lange weiter, bis ich eine Seite finden würde, die ihn französisch ausspräche. Doch unterwegs verlor ich meine anfängliche Absicht schnell und verfolgte bereits eine andere Spur - ich glaube es war die Buchmesse in Frankfurt – als ich unverhofft auf dem ... is a blog landete. Ich war völlig begeistert von dem, was ich da entdeckt hatte. Ich las Einträge und Kommentare und ältere Einträge, und die Frau, die das schrieb, wurde mir immer sympathischer. Ein paar Wochen lang besuchte ich täglich ihren Blog und ich las ihre vielfältigen, kleinen, schönen und liebevoll erzählten Geschichten des Alltags mit grossem Genuss. Bald entdeckte ich auch weitere Blogs, entwickelte meine persönlichen Vorlieben und merkte auch, dass ich mit dem ...is a blog eine der wenigen Perlen im Saufutter gefunden hatte. Das ist vermutlich ungeschickt ausgedrückt jetzt. Aber‚Nadel im Misthaufen’ ist wohl auch nicht besser.
Bleiben wir also bei den Perlen, die vor die Säue geworfen werden.
Ich stosse natürlich, wenn ich ab und zu durch das knietiefe Schweinefutter wate, immer wieder auf kostbare Perlen. Dann ziehe ich sie zu meiner Kette auf, und rolle fast täglich, wie ein Rosenkranz, Perle für Perle ab, was jedes Mal kleine Seufzer des Staunens, der Bewunderung und Dankbarkeit in mir hervorruft.

14.05.06

...


Ein Mann lebt sein Leben geistreich und voller Frauenbilder.


13.05.06

Trouvaille

Wenn du, werte Leserin, zum Wochenende einen Pornofilm ganz nach deinem Geschmack sehen willst, dann habe ich bei .txt (tausend Dank) diesen Frauenporno für dich gefunden.
Die sympathische Erika Lust hat den zwanzigminutigen Film produziert und er kann kostenlos bei ihrem Blog runtergeladen werden.
Der Kerl im Film ist wirklich lecker und seine zurückhaltende und doch aufmerksame Art ist unwiderstehlich. Du möchtest am liebsten rausfinden, wie er riecht, und sobald die Darstellerin seinen Schwanz im Mund hat, willst du nur eines: Auch wissen wie er schmeckt.
Du wirst erleichtert sein, dass die zwei Frauen keine Silikonbrüste und keine braun umrandeten Lippen haben, und du wirst dich auf anhieb in ihren süssen Akzent verlieben.
Du wirst bestimmt deine Lieblingsstellung wiederfinden und spätestens in dem Moment wird sich alles an dir daran erinnern,
und du wirst komplett in die Handlung eintauchen...

Und werte Alle: Ich möchte mich jetzt nicht über Gender- oder Genrefragen auslassen.
Vielmehr scheine ich etwas entdeckt zu haben, was mir gut gefällt und falls Jemand noch so eine Trouvaille für mich hat: Her damit!
hehehe

10.05.06

Schafskälte

Heute Morgen geisterten die Eisheiligen in ihren Nebelgewändern und Dunstschleiern durch die Gassen...

Rücken oder Arsch, oder wie Bezeichnungen für Brotformen bei meiner Lieblingsbäckereiverkäuferin ganz einfach auf der Hand liegen

Arsch oder Rücken? fragt mich jeden Morgen die Bäckerei Verkäuferin, während sie die zwei aneinander geklebten Sankt-Galler Brote mit ihren mehlbestäubten, unglaublich muskulösen Händen voneinander trennt. Sie schaut mich fragend an und präsentiert mir auf Busenhöhe die zwei ungleich runden Brote. Ich sage jedes Mal: „Den Arsch natürlich!“
Sie weiss es. Und trotzdem fragt sie mich jeden Morgen.
Mir gefällt es, wie sie die zwei Brote in den Händen wiegt, während ihre Worte noch wie ein Hauptgewinn im Raume schweben. Und ich mag es, morgens um halb sieben „Geben Sie mir ruhig den Arsch!“ zu antworten ohne rot zu werden.
Dann packt sie mir das rundere der beiden Brotteile ein und lächelt wie ein Engel.

09.05.06

Blue Hole
Selten solch berauschende Sogwirkung beim Lesen verspürt.

08.05.06

Coupe Dänemark

Warum heisst die Kombination von Vanilleglace mit heisser Schokoladensauce eigentlich Coupe Dänemark?

05.05.06

Bagger



Heute zum ersten Mal begriffen, dass Männer mit der gleichen Faszination einer Frau beim Tanzen zusehen, wie Buben einem Bagger auf der Baustelle.

04.05.06

Veränderung und Kontinuität

Täglich neue 'Zumerstenmale':

Heute: Zum ersten Mal nervös geworden bei dem Gedanken Chefin zu werden.
Es wird ernst.

Und auch: Zum ersten Mal Minigolf gespielt.

03.05.06

Sportsgeister

Ich jogge jetzt.
Zum ersten Mal im Leben.
Das stimmt wirklich. Das mit dem ersten Mal.
Ich hätte es niemals geschafft alleine joggen zu gehen.
Nach drei Minuten hätte ich aufgegeben.
Darum bin ich zum Turnverein Bern gegangen und habe gesagt:
Guten Tag, ich möchte joggen.
Der Verein war hocherfreut und hat mir eine Trainerin zugeteilt.
Eine junge, super sportliche Leichtathletikerin mit Pferdeschwanz und sportlichem Lachen und mit einem Sportsblick, der mich zum auf der Stelle Trippeln bringt.
Ich bin wie gesagt nach drei Minuten joggen fix und fertig und möchte aufgeben. Möchte lieber gar nie mit Joggen angefangen haben. Aber meine Trainerin zieht mich weiter mit ihrem Sportsgeist, der uns wie ein geisterhaftes Band verbindet, ich schaue von der Seite auf ihren wedelnden Rossschwanz und ihre kleinen, sportlichen Brüste und denke: Alles an ihr freut sich. Lacht. Wie schön. Ich gebe nicht auf.
Ich habe all meinen Freundinnen gesagt, dass sie mit uns joggen kommen können. (Ich habe meiner Trainerin bereits beim ersten Mal mein ganzes Leben und was ich über Sport denke erzählt, und wir brauchen neuen Gesprächsstoff.) Aber sie hassen joggen. Ich habe es nicht anders erwartet. Es sind ja schliesslich meine Freundinnen. „Warum joggst du, Minka,“ fragen sie mich, „das ist das doofste, was man machen kann. Bist du auf Glückshormone aus? Hast du dir mal die Jogger angesehen, wie die aussehen? Willst du so werden wie die?“ drohen sie mir.
Ich sehe hunderte von Joggern, wenn ich jogge. Tausende. Sie rennen alle an der Aare entlang zwischen sechs und acht Uhr, mit engen oder kurzen Sportshosen. Überholen mich. Sprinten mir entgegen, kreuzen mich, atmen mit offenen Mündern geräuschvoll aus und hinterlassen sportliche Gerüche. Ich traue mich nie so richtig hinzuschauen.
Ich überlege mir, ob ich mit Volleyball oder Pingpong anfangen soll.
Aber das Joggen gebe ich nicht so schnell auf.
Mein Körper lacht.