Der Arzt schreibt schöne Briefe. Unsere Korrespondenz ähnelt bis jetzt einem höflichen Vorstellungsgespräch für eine Stelle, die zwar vielversprechend aber illusionär ist.
"Ich mag nicht hin und her schreiben", sage ich zu Nic, die sich nach dem neusten Stand ihrer Einfädelung erkundigt. Wir sitzen im Kornhauskeller, der schönsten Bar Berns, und trinken Rotwein. "Warum nicht? Das ist doch sicher spannend", sagt sie.
"Schreiben ist so verfänglich", sage ich nachdenklich. "Dann verliebe ich mich vielleicht in seine Worte und nicht in ihn. Ich habe bereits vergessen, wie er aussieht".
Nic überlegt: "Sag ihm, er soll dir ein Foto schicken".
"Wir können uns so nicht kennen lernen", sage ich. "Er hat schon jetzt ein ganz falsches Bild von mir. Er schreibt, dass er meine wilde Art ungewöhnlich aber reizvoll findet".
"Deine wilde Art?"
"Ich habe den Eindruck, dass er mich für eine Sportskanone und Naturfanatikerin hält".
"Eine Sportskanone?"
"Auf dem Foto, das ich ihm geschickt habe, sieht man meine muskulösen Arme."
"Aber das passt doch. Er ist auch sehr sportlich", sagt sie.
"Ich habe noch nie Sport getrieben, Nic. Ich weiss nicht, wie man Sport treibt. Ich habe Muskeln, weil ich mein halbes Leben lang zentnerschwere Lämmer herumgewuchtet habe. Und ich mag keine sportlichen Männer."
"Aber er schreibt schön", sagt sie, den Stil ihres Glases zwischen Daumen und Zeigefinger drehend, als würde sie ihr Argument festschrauben wollen.
"Ich sehe zwei Möglichkeiten", sage ich: "Entweder wir schreiben uns nur, aber dann will ich ihn lieber nie treffen. Oder wir sehen uns sofort und lassen die Schreiberei".
"Ich habe eine bessere Idee", strahlt Nic: "Ihr schickt euch nur Fotos ohne zu schreiben. Ihr schickt euch Bilder hin und her ohne Worte. Zum Beispiel jetzt könntest du ein Foto machen, wie du in der schönsten Bar der Welt sitzt. So müsst ihr euch nicht schreiben, aber ihr lernt euch trotzdem kennen".
"Das würde er sicher nur wieder ungewöhnlich aber reizvoll finden", sage ich.