24.05.06

Fussball

Ich mochte noch nie Fussball. Und ich mag Männer nicht, die Fussball mögen. Ich ging ihnen bisher vermutlich unbewusst aus dem Weg. Natürlich machte ich Ausnahmen, weil die meisten Männer - auch wenn sie keinen Hut tragen - irgendwo doch etwas mit Fussball am Hut haben. Und ich mag schliesslich Männer. Einmal war ich sogar bereit mich mit einem Mann einzulassen, der in seiner Küche eine St.Pauli Fahne an der Wand hängen hatte. Aber es wurde doch nichts mit uns, weil er Beatles hörte. Nichts gegen die Beatles jetzt. Aber irgendwann ist die Toleranzgrenze überschritten... Ach, was ich eigentlich erzählen will, hat sowieso nichts damit zu tun.
Der Grund, warum ich keinen Fussball mag ist nicht etwa, weil ich eine Frau bin. So einfach ist das mit der Genderfrage auch hier nicht. Aber ich schweife jetzt besser nicht schon wieder ab.
Es hat mit einer Fussballverletzung zu tun.
Es war so:
Ich war acht und er hiess Didier.
Ich fand ihn nett und wollte mit ihm am See Schwäne füttern. Ich zeigte ihm meine Tüte mit getrocknetem Brot für die Schwäne, was ihn aber nicht beeindruckte. Er fand mich doof und wollte Fussball spielen. Dann wollte ich eben auch mitspielen. Die anderen Jungs nahmen mich in die Mannschaft auf. Ich rannte die ganze Zeit mit meiner erwartungsvoll knisternden Tüte voll Brot für die Schwäne in der Hand hinter dem Ball her. Didier versuchte mir den Ball wegzunehmen. Wir bückten uns beide über den Ball, als er plötzlich hochschnellte und mir mit seinem Kopf einen Kinnhaken verpasste. Versehentlich. Ich fiel in Ohnmacht. Als ich zu mir kam blutete ich aus dem Mund. Ich dachte ich würde vielleicht sterben, weil ich von irgendwoher wusste, dass man aus dem Mund blutet, wenn man stirbt.
Zum Glück war nur ein Schneidezahn gestorben. Aber je pupertierender ich wurde, desto dunkler wurde der tote Zahn. Ich hasste meinen schwarzen Schneidezahn. Wobei ich ja noch Glück hatte: Mein Nachbar Raoul hatte vorne einen Silberzahn. Ich fand, dass es bescheuert aussah. Aber Raoul war immer guter Laune und lachte die ganze Zeit. Mit seinem Silberzahn.
Ich jedenfalls beschloss nicht mehr zu lachen, bis ich zwanzig würde. So würde niemand meinen schwarzen Zahn sehen. Mit zwanzig Jahren, versprach man mir, würde ich einen neuen, ganz weissen Zahn bekommen. Dann würde ich wieder lachen können.
Aber eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen. Worauf ich nämlich hinaus will ist folgendes:

Ich spiele neuerdings Fussball.
Meine Nachbarin hat mich dazu gebracht. Es sind Leute aus ihrem Bekanntenkreis, eine gemischte Gruppe, Männer und Frauen, was mir am Anfang etwas problematisch vorkam. Ich befürchtete, die Männer würden uns Frauen keine Chancen lassen, oder aus übermässiger Rücksicht nicht richtig spielen. Aber am meisten fürchtete ich mich vor Verletzungen. Nicht blaue Flecken am Schienbein, ich spreche von zertrümmerten Knien, Bänderrissen, von meinem gestorbenen Schneidezahn, solchen Geschichten.
Oder noch schlimmer: Von inneren Verletzungen, wie Eifersucht und solchen Szenen.
Die Männer in der Gruppe spielen aber sehr fair. Gerade so brutal, dass wir Frauen sie noch für richtige Fussball Helden halten, und so zuvorkommend und verständnisvoll, dass wir sie nicht als Weicheier einstufen. Ihr Spiel ist eine Gradwanderung zwischen Egoismus und Anerkennung.
Wie im richtigen Leben.
Gefährlich sind eher die Frauen.
Die Frauen in der Mannschaft spielen den Ball grundsätzlich in die Luft hinauf und schwingen dabei den Fuss so hoch wie möglich hinterher. Dabei geraten sie schon auch mal versehentlich an ein Schienbein oder an eine Rippe. Es spielt eigentlich gar keine Rolle, wohin sie den Ball schiessen. Hauptsache weg. Ich bekam einmal den Ball mit voller Wucht in den Bauch, aber man lernt schnell, sich reflexartig geduckt abzuwenden sobald eine Frau am Ball ist, dann bleibt auch der Kopf verschont.

Es macht trotzdem Spass Fussball zu spielen. Wirklich. Einigermassen bedenklich finde ich den Spass aber seit heute, als mir meine Nachbarin ihre neu gekauften Fussballschuhe gezeigt hat, mit Noppen.
Ja. Noppen.
Sie kennen doch die Bilder von Egon Schiele. Ich fand immer, dass Schieles Frauen so grün und blau geschlagen aussehen.
Das fällt mir gerade ein, wenn ich meinen grünblau gefleckten Körper betrachte.
Ich wage es gar nicht mir auszumalen, wie meine blaugrünen Flecken mit zusätzlich dunkelrot genoppten Blutergüssen aussehen.
Schielesk.

3 Kommentare:

  1. Ausgesprochens fairplay. Kein einziges foul. Chapeau!

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  2. Ich habe mir jetzt auch Fussballschuhe gekauft. "Nocken nicht Noppen," sagte die Verkäuferin trocken, "das ist ein Nockenschuh."
    Sie schaute mich wissend an.
    Ich fragte mich, ob sie gerade das selbe wie ich dachte, und mich durchschaut hatte, weil ich mir bei Noppen automatisch Kondome vorstelle oder Dildos.
    Aber vermutlich bin ich wie immer die einzige, die bei Noppen an so etwas denkt.
    "Nocken also," wiederholte ich schnell, um nicht zu erröten.
    Ich hatte das Wort vorher noch nie gehört.

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  3. tausendfüssler! wie schön!

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